Kolumne: Neue Wege: Der Markt bietet mehr als Büros und Einzelhandel

Bärbel Schomberg

Bärbel Schomberg

Bärbel Schomberg, Schomberg & Co. Real Estate Consulting GmbH 

Mit dem Zusammenbruch von Lehman wurden nicht nur die gesamte Finanzbranche sondern in unmittelbarer Folge auch die Immobilienmärkte in eine weltweite Krise gezogen. Gut zwei Jahre nach diesem Desaster heißt es, die Anleger hätten aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt. Ein Paradigmenwechsel habe auch beim Anlageverhalten professioneller Investoren stattgefunden. Darf man diesen Aussagen Glauben schenken? 

Der Finanzierungsbereich beginnt sich – abgesehen von ganz großen Volumina – sukzessive wieder zu erholen. Bei den mittleren und kleineren Immobilien-Finanzierungen steigt sogar erneut der Wunsch nach möglichst hohen Fremdfinanzierungsanteilen um den Leverage-Effekt zu maximieren. Die niedrigen Kreditzinsen heizen hier den Markt bereits wieder deutlich an. Auf der Anlageseite ist das für Investoren unattraktiv niedrige Zinsumfeld bei Alternativanlagen für eine enorme Liquidität in den Immobilienmärkten verantwortlich. 

Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass die Mehrzahl der Marktteilnehmer wieder einem Phantom hinterherjagt: Höhere Renditen als am Rentenmarkt bei gleichhoher Sicherheit durch die Investition in neuwertige Büro- und Einzelhandelsimmobilien in bester Lage, langfristig vermietet an Unternehmen mit bester Bonität. Genau hieraus entsteht das bekannte, preistreibende Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage. 

Warum also immer nur dem Mainstream folgen? Warum nicht neue Wege gehen und innovativen Ideen folgen? Neue Immobilienkonzepte müssen allerdings in Deutschland immer erst sehr große Widerstände überwinden, bevor sie eine hohe Akzeptanz erfahren. Und das unabhängig davon, ob sie im Ausland bereits erfolgreich sind. Nehmen wir das Beispiel „Studentisches Wohnen“. In den USA ist dieses Segment bereits seit vielen Jahren aufgrund seiner stabilen laufenden Erträge bei institutionellen Investoren ein fester Bestandteil in den Immobilien-Portfolien. Dennoch reichen erste reflexartige Reaktionen auf die vermeintlich allseits bekannte Nutzungsart hierzulande von „Spezialimmobilie bzw. Betreiberimmobilie“ bis zur Kategorisierung als „nicht fungibles Investment, schwierig zu managen, exotisch und nicht geeignet für institutionelle Investoren. 

Dabei ist der Bedarf an Studentenwohnungen so groß wie nie zuvor. Alleine Hessen erwartet laut Statistischem Landesamt im Wintersemester 2010/11 insgesamt rund 196.000 Studierende. Auch bundesweit erreicht die Zahl der Studenten laut Statistischem Bundesamt mit rund 2.120.000 im Wintersemester 2009/10 einen neuen Rekordwert. 10 Jahre zuvor lag die Zahl noch bei 1.800.000 Studenten. Angesichts des Bedarfes von hochqualifizierten Fachkräften dürfte diese Zahl auch in Zukunft mindestens stabil bleiben oder sogar weiter steigen. 

Nehmen wir einmal an, dass es sich beim „Studentischen Wohnen“ um „Student Housing“ der modernsten Ausprägung auf internationalem Niveau im gehobenen Wohnsegment handelt und hierfür ein schlüssiges Konzept vorliegt: Modernes Wohnen im Stil des Boardinghouse, welches sich an den Bedürfnissen der modernen Internetgeneration ausrichtet. Sind dann die Marktteilnehmer bereit, sich ernsthaft mit dem Produkt neu auseinanderzusetzen oder setzen wieder die alten Denkmuster ein? Diese Frage lässt sich bisher im Jahr zwei nach Lehman in Deutschland noch nicht eindeutig beantworten. Wer sich jedoch dem Preisdiktat von Angebot und Nachfrage im Mainstream-Segment Büro und Einzelhandel nicht unterwerfen will, wird früher oder später gegenüber innovativen Ideen Aufgeschlossenheit zeigen müssen und damit dazu beitragen, dass neue Strömungen unseren Immobilienanlagemarkt bereichern.