„Können Schwaben alles außer Rechnen und Bahnhof?“

 von Rainer Reddehase

 Am 27.11.2011 stimmen die Bürger des Landes Baden-Württemberg über das so genannte „Stuttgart 21-Kündigungsgesetz“ ab. Der Landesanteil am Bahn- und Städtebauprojekt „Stuttgart 21“ beträgt nach aktueller Planung 930 Mio. Euro, das sind verteilt auf 10 Jahre (2000 – 2019) ca. 90 Mio. Euro pro Jahr.

 Ob die seitens der grün-dominierten Landesregierung beabsichtigte Kündigung der bestehenden Verträge gegen Verfassung und Gesetze verstößt, würden gegebenenfalls die Gerichte klären. Zumindest haben die Projekt-Partner Schadenersatzansprüche in Höhe von über 1,5 Mrd. Euro bei einem Ausstieg aus Stuttgart 21 vorab geltend gemacht. Das sind ca. 600 Mio. Euro mehr als der Betrag, der nach heutigem Stand für das Land anfallen würde.

 Soweit so gut beziehungsweise so schlecht.

 Im Jahr 2010 betrug der Anteil Baden-Württembergs am Länderfinanzausgleich 1,6 Mrd. Euro. Während Nehmerländer Studiengebühren abschaffen und Kindergartenbeiträge reduzieren, wurde im Schwabenland ordentlich gewirtschaftet und gespart. Berlin als Nehmerland gilt mit über 60 Mrd. Euro als hoch verschuldet. Dennoch kauften in diesem Monat zwei landeseigene Wohnungsgesellschaften knapp 5.000 Wohnungen in Berlin. Grobe Preisschätzung: Angenommen, die 5.000 Wohnungen haben durchschnittlich 60 qm und der Quadratmeter kostet 1.000 Euro, entspricht das einer Kaufsumme von 300 Mio. Euro.

 Und in Baden-Württemberg müssen aufgrund von Auflagen aus Brüssel 20.000 Wohnungen der LBBW (Land, Stadt, Sparkassen) verkauft werden!

 Die Frage, die sich hier stellt: Warum kann sich Berlin hier mit weiteren 300 Mio. Euro verschulden? Mussten die senatseigenen Wohnungsgesellschaften in den letzten Jahren kaum Gewinne abführen? Dies hätte dann wohl auch die Erlöse aus dem Länderfinanzausgleich geschmälert. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

 Also: Können Schwaben alles außer Rechnen und Bahnhof?

 Verstehen Sie nur noch Bahnhof? Dann noch einmal in Kurzfassung zur Verdeutlichung:

  • Das Nehmerland Berlin kauft 5.000 Wohnungen und verschuldet sich mit 300 Mio. Euro.
  • Das Geberland Baden-Württemberg verkauft 20.000 Wohnungen.
  • Baden-Württembergs Aufwand im Jahr am Länderfinanzausgleich: 1,6 Mrd. Euro.
  • Sein Anteil im Jahr für „Stuttgart 21“: 90 Millionen Euro.
  • Die Ausstiegskosten ohne Bahnhof – sofort fällig: 1,5 Mrd. Euro.

 Zumindest könnte aufgrund von Schadenersatzansprüchen der Anteil von Baden-Württemberg am Länderfinanzausgleich fast auf 0 gesetzt werden. Dann müssen es halt die Bayern richten. Klingt komisch, ist aber so.

 Immerhin: Am 27.11.2011 können darüber die Bürger in Baden-Württemberg mit einem einfachen „Ja“ für „Nein“ (Projektausstieg) beziehungsweise „Nein“ für „Ja“ (Realisierung Stuttgart 21) entscheiden.

 Rainer Reddehase, Autor des Buches „Stuttgart 21 – Immobilienwirtschaftliche Bedeutung“ und Geschäftsführer FRICS, REAL ESTATE STUTTGART