Wie nun schon seit 21 Jahren durfte ich auch in diesem Jahr vom 8. bis 11.3. 2011 wieder die bedeutendste internationale Immobilienmesse MIPIM in Cannes genießen. Bei strahlend blauem Himmel war es zwar bitter kalt, gleichwohl war auch die diesjährige Mipim für jeden, der nicht so sehr auf die exorbitanten Kosten schauen muss, wieder ein herausragendes Erlebnis, so wie eben jedes Jahr. Alle namhaften internationalen Immobilen-Investoren, Banken und Projektentwickler gaben sich in Cannes wieder ihr Stelldichein auf höchstem touristischen, geschäftlichen und gesellschaftlichem Niveau. „Man gönnt sich ja sonst nichts!“ Wer im internationalen Immobilienbusiness etwas auf sich hält, für den ist die „Mipim“-Teilnahme schließlich eine standesgemäße Pflicht. Die Meinung der internationalen Fachleute zum deutschen Immobilienmarkt ist außergewöhnlich positiv. Die Nachfrage aus dem Ausland nach Immobilen-Anlagen in Deutschland zieht kräftig an. Deutschland wird international als das „Wirtschaftswunderland“ in Europa bewundert und beneidet.
Neben den bekanntesten EU-europäischen, osteuropäischen und asiatischen Städte und Regionen waren auch die namhaften deutschen Großstädte mit imponierenden Messeauftritten anwesend, um ihre Standorte dem internationalen Immobilienfachpublikum, wie institutionellen Investoren, Finanziers und Projektentwicklern vorzustellen, um so effektive Wirtschaftsförderung, internationales Standort-Marketing und positive Imagewerbung zu betreiben. Die deutschen Groß-und Landeshauptstädte Hamburg, Berlin, Nürnberg, München und Frankfurt glänzten auf ihren Messeständen mit Sonnenterassen auf Flächen von ca. 100 bis 400 qm. Sie präsentierten ihre Städte in jeder Hinsicht vom Besten, mit Vorträgen, Abendveranstaltungen und „Fünf-Sterne-Bewirtung“. Dieses Jahr hätte die Stadt Frankfurt den „Mipim-Award“ für den besten Stand verdient, mit kleinem Vorsprung vor München. Diesen Vorsprung hat die Oberbürgermeisterin Petra Roth mit ihrem sehr eindrucksvollen Auftritt für Frankfurt verdient. Frankfurt und München haben in Cannes wieder einmal vorgeführt, wie erfolgreiches Standort-Marketing und positive Image-Werbung auf internationaler Bühne aussehen sollte.
Die Stadt Stuttgart war in den vergangenen Jahren meist auch mit einem passablen Messe-Stand vertreten. Der fast krankhafte schwäbische Hang zum Sparen schwebte aber immer über den Messeständen. Was sich die Stadt Stuttgart aber dieses Jahr erlaubt hat, ist noch nicht da gewesen und hat auch mit „schwäbischem Understatement“ nichts mehr zu tun: die „Stuttgart-Lounge“, wie sie im „Immobilienbrief“ bezeichnet wurde, war kein Stadt-Marketing, sondern passte eher in den Bereich der Realsatire! Man kann es nur glauben, wenn man es mit den eigenen Augen gesehen hat: die Stadt Stuttgart hat ihren diesjährigen MIPIM-Auftritt reduziert auf eine ca. „9-qm -Ecke“ mit drei Stühlen, einem Tischlein, ohne jede Bewirtung (nicht einmal „Maultaschen in der Papiertüte“!), im hintersten Winkel des Treppenhauses gegenüber der Toilette! Die Stuttgarter Standbesatzung und die Standbesucher ließen sich lieber und natürlich schwäbisch kostensparend die vorzügliche Bewirtung auf den Nachbar-Ständen munden! Der Stuttgarter Messestand war an Peinlichkeit nicht mehr zu überbieten und eine Schande nicht nur für unsere Landeshauptstadt, sondern auch für ganz Baden-Württemberg, aber ganz besonders für ihren zeitweise ebenfalls anwesenden Oberbürgermeister Dr. Schuster. Gesprächstermine waren mit ihm nicht zu bekommen, weil er nach Auskunft des Stuttgarter Standpersonals ja alleine da war, keine Sekretärin hat und immer unterwegs sei. Das Standort-Marketing, die Wirtschaftsförderung und die internationale Image-Werbung für Stuttgart hat mit dieser Veranstaltung seinen absoluten Tiefpunkt erreicht: geschmackloser und unprofessioneller geht es nicht mehr! Es fehlen einem die Worte, um die wahre Öffentlichkeitswirkung des „Stuttgart-Standes“ wirklichkeitsnah zu beschreiben! Man vermisste nur noch die Standaufschrift: „Mir gebet nix!“ Eine derart peinliche Vorstellung einer deutschen Großstadt nach dem Motto, „Man redet lieber schlecht über einen, als gar nicht!“, hat es seit Bestehen der „MIPIM“ in Cannes mit Sicherheit noch nicht gegeben. Ganz besonders unverständlich wird der Stuttgarter „Anti-Messestand“ vor dem Hintergrund, dass die Stadtverantwortlichen die einmalige Gelegenheit nicht genutzt haben, ihr Europa weit wohl größtes und bedeutendstes innerstädtisches Jahrhundert-Immobilienprojekt „Stuttgart 21“ auf der „MIPIM“ dem internationale Fachpublikum näher zu bringen. Sie schämten sich offensichtlich für ihr eigenes Projekt und für ihre eigene Stadt!
Die Meinung der Standbesucher war nahezu einhellig: Sie taten sich schwer, ihr Unverständnis und ihr Entsetzen über den unprofessionellen Mipim-Auftritt unserer Landeshauptstadt zu verbergen. Man kann es nicht glauben, dass so etwas möglich ist. Gar nichts wäre besser gewesen, weil es viele Gründe für einen „Mipim-Boykott“ nicht nur für Stuttgart geben würde. Für völligen Realitätsverlust bzw. für unaufrichtigen Zweckoptimismus spricht aber, wenn die städtischen Entscheidungsträger, so auch OB Dr. Schuster, diese sehr negative Außendarstellung mit einem solchen Messestand, den die „FAZ“ in ihrem Mipim-Beitrag vom 11.3.2011 als „begehbaren Kleiderschrank auf dem Gang“ beschrieben hat, auch noch als sinnvolles Stadt-Marketing und erfolgreiche Wirtschaftsförderung darstellen wollen. Die öffentlich geäußerte Kritik unseres MP Mappus an OB Dr. Schuster ist auch vor diesem Hintergrund mehr als verständlich. OB Dr. Schuster hätte diese grausige Präsentation Stuttgarts in Cannes verhindern müssen, wenn er nur seinem gesunden Menschenverstand gefolgt wäre. Was der OB hier seiner Stadt zugemutet hat, passt leider nicht zu seinen eigenen Ansprüchen : er ließ es sich auskunftsgemäß nicht nehmen, in einer der teuersten Luxusherbergen an der Croisette abzusteigen, um seinen Aufenthalt in Cannes wenigstens für sich selbst standesgemäß und sehr komfortabel zu gestalten.
Die Zwei-Mann-Standbesetzung unter der Leitung von Herrn Armbruster, der mit viel Zweckoptimismus eine vorbildlich gute Miene zu diesem bösen Spiel verbreitete, konnte einem wirklich nur leid tun. Jedes mit Stuttgart geschäftlich und mental verbundene Unternehmen muss sich für diese unprofessionelle Präsentation seiner Stadt vor dem internationalen Immobilen-Publikum nur schämen. Die Verantwortlichen für dieses Desaster unter den Stadtoberen waren an diesem sog. „Stuttgart-Stand“ nicht sehr oft anwesend. Sie mochten wahrscheinlich dort auch nicht gesehen und mit diesem „Stuttgart-Stand“ in Verbindung gebracht werden!
Die rundum festzustellende positive Einschätzung des deutschen Immobilienmarktes durch die internationalen Branchenprofis lässt eine gewaltige Investitionswelle aus dem Ausland auf der Suche nach interessanten Immobilien-Anlagen in den deutschen Groß- und Mittelstädten erwarten. Deutschland wird international wieder als das „Wirtschaftswunderland“ in Europa bewundert und beneidet. Es ist allerdings sehr fraglich, ob Stuttgart mit einem solchen kleinkarierten und amateurhaften Messeauftritt besondere Anziehungskraft ausstrahlen konnte. In 1997 hatte die Stadt dagegen noch genügend Geld zur internationalen Image-Pflege: Auf der „Mipim-Asia“ in Singapur war Stuttgart mit einem großen Messestand und ca. 20 Personen als Stand-Besatzung auf Investorensuche für „Stuttgart 21“!
(Georg Wengert ist Wirtschaftsprüfer und Steuerberater bei der Wengert AG.)