So will es der Senat – und der änder seine kritische Liegenschaftspolitik mitnichten. Seit zwei Legislaturperioden des erst rot-roten und nun rot-schwarzen Senats in Berlin gibt es ein Gerücht – Der Senat ändere seine Liegenschaftspolitik und damit auch die Geschäftsstrategie des Liegenschaftsfonds Berlin (LFB), der Grundstücke und Immobilien der öffentliche Hand in deren Auftrag verkauft. Genährt werden diese Gerüchte auch vom Senat selbst, wenn er aus den allwöchentlichen Senatssitzungen dementsprechende Mitteilungen verbreitet, dass er „die Berliner Liegenschaftspolitik künftig stärker strategisch ausrichten“ will, wie z. B. im März 2011 verlautete. Grundlage dafür war ein Bericht des Senators der Finanzen Dr. Ulrich Nußbaum. Auch die Koalitionsvereinbarung SPD–CDU vom November 2011 birgt entsprechenden Zündstoff. Doch: Noch ist nichts in „trockenen Tüchern“.
Hauptakteur der Berliner Liegenschaftspolitik und damit auch zukünftig Herr des Verfahrens ist der Liegenschaftsfonds, so der Senat noch 2011. „Er führt als landeseigene Gesellschaft die Verkäufe von Grundstücken durch. Der Liegenschaftsfonds beachtet dabei neben fiskalischen Aspekten auch wirtschafts-, wohnungs- und stadtentwicklungspolitische Ziele des Landes Berlin. Diese sollen zukünftig noch besser berücksichtigt werden.“
Damit jedoch ist es nun vorbei. Der LFB ist nicht mehr „Herr des Verfahrens“, sondern muss sich diesen schnöden fiskalischen Aspekten beugen. Die Einnahmen, die der Liegenschaftsfonds durch Grundstücksverkäufe erzielt, stehen dem Haushalt im Rahmen der Gesamtdeckung zur Verfügung bzw. werden den Bezirken und Hauptverwaltungen als Erlösbeteiligung direkt in ihre Haushalte überwiesen. In den vergangenen Jahren konnte der Liegenschaftsfonds so einen nicht unerheblichen Beitrag in Millionenhöhe zur Konsolidierung des Haushaltes leisten, so 152 Mio. Euro im Jahr 2011, davon erhielten die Bezirke 17 Mio.. Darauf will vor allem der Finanzsenator nicht verzichten, steht er doch gewissermaßen unter ständigem Beschuss der Geberländer im Länderfinanzausgleich, die Schuldenbremse nicht nur einzuhalten, sondern die Schulden auch noch herunterzufahren.
Dabei muss seit Gründung des LFB im Jahr 2001 stets der Steuerungsausschuss des Fonds plus der Vermögensausschuss des Abgeordnetenhauses von Berlin einem Verkauf zustimmen, bei einer Direktvergabe noch die Senatsverwaltungen der Finanzen, Wirtschaft und Stadtentwicklung. Überhaupt sind dem Fonds die Hände gebunden, er ist noch nicht einmal in der Lage, die entsprechenden Grundstücke für den Bau von 3.000 Wohnungen jährlich, wie es die Koalitionsvereinbarung vorsieht, etwa durch Bereitstellung entsprechenden Baulands kostenlos für einen symbolischen Euro den kommunalen Wohnungsbaugesellschaften bereit zu stellen – das EU-Vergaberecht (unerlaubte Beihilfe!) ist davor.
In Berlin hat die rot-schwarze Koalition den Wohnungsbau zur Chefsache gemacht. Sie richtet zukünftig die Liegenschaftspolitik des Landes Berlin speziell im Wohnungsbau an der „Sozialraumidee“ aus. Nicht mehr der höchste Preis soll jetzt bei der Vermarktung landeseigener Immobilien im Vordergrund stehen. „Die besondere Qualität des Wohnens in Berlin und die soziale Nachbarschaft“ sollen, so der Koalitionsvertrag, gestärkt werden. Der neue Berliner Senat orientiert sich an der „durchmischten Stadt“, und bei der Vergabe landeseigener Grundstücke werden vermehrt in dafür geeigneten Fällen Nutzungsbindungen für Wohnungen vorgesehen, so der Vertrag.
Damit sollte eigentlich eine Wende vollzogen werden: Weg vom Verkauf zum Höchstpreis im bedingungsfreien Bieterverfahren und hin zu einem Konzeptverfahren, bei dem stadtentwicklungs-, wirtschafts- und gesellschaftspolitische Ziele verstärkt berücksichtigt werden. Bedingung: ein neues Mietenkonzept des Senats plus Instrumentarien für die Umsetzung. Das aber lässt auf sich warten und so der Startschuss für Verkäufe mit mietregulierenden Bindungen. 50 Objekte will der LFB im Jahr 2012 auf den Markt bringen, insgesamt 183.000 qm Geschossfläche könnten entstehen, das sind ca. 1.900 Wohneinheiten. Erste geeignete Grundstücke sind bereits im Verkaufsangebot abgebildet: https://www.liegenschaftsfonds.de/site/index.php?id=294
Die Verfahren zu weiteren Grundstücksangeboten laufen noch. Die Frage, wer wo wieviel und in welcher Form bauen will, wird dann u.a. auch Gegenstand des neuen Mietenkonzepts sein, das sich derzeit in Abstimmung befindet. Dieses Mietenkonzept ist Teil der neuen Liegenschaftspolitik.
Doch es ist wie es ist – gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht. Der Streit , wie die „unentdeckten Schätze“ (Wowereit) zu vermarkten seien, hat nun alle politischen Lager erfasst – gegen den Finanzsenator. Der promovierte Jurist lässt kühl und sachlich – ganz Hanseat und Unternehmer aus Bremen, der er auch ist – erklären: Wenn die Senatoren der Stadtentwicklung, Wirtschaft und der Kulturstaatssekretär beim Immobilienverkauf weg vom Höchstpreis, Verkehrswert und Direktvergabe je nach Gusto wollten, so sollten sie doch bitte schön die Differenz zu den marktüblichen Preisen für seine (Nußbaum)-Kasse/Berliner Haushalt aus ihrem Ressort tragen. Sein Auftrag sei es, Berlins Schuldenberg von 62,8 Mrd. Euro abzutragen und die Schuldenbremse einzuhalten. Dabei sind die Aufgaben der anderen Ressort auch nicht ohne: Investoren anwerben, den Kulturstandort festigen und ausbauen, 30.000 Wohnungen bis 2016 errichten – die Quadratur des Kreises.
Stadtentwicklungssenator Michael Müller wettert gegen diese „One-Man-Show“. Aber hat er nicht auch als SPD-Landesvorsitzender den Passus in der Koalitionsvereinbarung zu verantworten: „Zur Förderung des Neubaus von Wohnungen wird der Senat auch das Instrument der kostenlosen oder ermäßigten Grundstücksvergabe nutzen. …. Dabei werden wir jedoch Belastungen für den Haushalt vermeiden.“?
„Die Berliner Grundstücke sind das Vermögen aller Berlinerinnen und Berliner. Ich möchte daher transparente und für alle nachvollziehbare Kriterien haben, warum wir bestimmte Grundstücke nicht an den Meistbietenden abgeben, sondern an einen Bieter mit einem als förderungswürdig eingestuften Konzept. Ich will wissen: Was ist der Gegenwert für Berlin, wenn wir beim Verkauf auf den besten Preis verzichten?“, so Senator Dr. Ulrich Nußbaum. Eigentlich ganz einfach oder?