Mit „Via Bremen“ auf den Weg in die Energiezukunft

Thomas Döbel – Münchner Korrespondent „Der Immobilienbrief“

Eine Art „Goldgräberstimmung“ sieht Bremens Wirtschaftssenator Martin Günthner (SPD), derzeit bei den Logistikunternehmen der Hafenstadt: „Die Energiewende und insbesondere der Aufbau von Offshore-Windparks ist ein großes Konjunkturprogramm für die gesamte deutsche Küstenregion“ meint er und begründet damit seine optimistische Wachstumsprognose für den Hafenstandort Bremen.

Bis zum Jahr 2030 soll mit Offshore-Windparks in der deutschen Nord- und Ostsee die Jahresleistung von 20 Atomkraftwerken erbracht werden. Nach derzeitigen Planungen werden die Windparks auf hoher See mit bis zu 7.000 Windenergieanlagen ausgestattet. Dies erfordert unter anderem auch den Aufbau von neuen umfangreichen Logostik-Kapazitäten. Allein die Betonsockel und Plattformen, die in Wassertiefen bis zu 35 m versenkt werden, wiegen bis zu 900 Tonnen. In diese werden die einzelnen „spargel-ähnlichen“ Turmelemente, an deren Spitze sich die Rotoren drehen, „eingepflanzt“.

Im Süden von Bremerhaven wird zur Bewältigung dieser neuen logistischen Herausforderungen bis 2014 ein 240 Millionen Euro teures Offshore-Terminal entstehen, über das dann jährlich bis zu 160 Windkraftanlagen verschifft werden können. In diesem neuen Hafen in der Weser, der von privaten Investoren finanziert und realisiert werden soll und derzeit ausgeschrieben ist, soll der Umschlag der Offshore-Komponenten ablaufen. Nach dem Willen von Senator Günthner soll Bremerhaven „die Hauptstadt der Offshore-Windenergie in Deutschland werden“. Schon heute gebe es in dem Dreieck Bremen – Cuxhaven – Bremerhaven so viele Unternehmen der Windenergiebranche wie so geballt sonst nirgendwo anders auf der Welt.

Mit dem Bau des Terminals werden nicht allein die Voraussetzungen für die Entstehung von bis zu 14.000 neuen Arbeitsplätzen bis 2040 vor Ort geschaffen. Auch bundesweit wird die die Branche beflügelt. Der Präsident der Stiftung Offshore-Windenergie, Jens Eckhoff; geht sogar davon aus, dass die Windindustrie für Deutschland im 21. Jahrhundert die Rolle spielen wird, die die Automobilindustrie im 20. Jahrhundert inne hatte. Die neue Stiftung soll nach Eckhoffs Willen auch dazu beitragen, die enormen wirtschaftlichen Chancen der Offshore-Windenergie für die Küstenregionen zu nutzen. Wenn sich bis 2020 wie geplant 5.000 Windenergieanlagen in der Nordsee drehen sollten, brächte dies für Deutschland mindestens 30.000 neue Arbeitsplätze, so die Prognose des ehemaligen Bau- und Umweltsenators der Freien Hansestadt.

Mit der Energiewende verbinden sich für den Industrie- und Logistikstandort Bremen große Erwartungen an die Zukunft. Doch auch in der Gegenwart lässt sich die Bilanz sehen: Wirtschaftssenator Martin Günthner gesteht zwar ein, dass der Strukturwandel, den Bremen erfolgreich geschafft habe, bundesweit kaum bemerkt werde. Allerdings weist er die Charakterisierung Bremens als „industriearmen Stadtstaat“ zurück: „Bremen boomt als eine der bedeutendsten Industriestädte Deutschlands“ Immerhin sei die zehntgrößte Stadt Deutschlands auf Rang sechs unter den Industriestandorten. Und mit der Automobilindustrie, der Luft- und Raumfahrtindustrie sowie zahlreichen Nahrungsmittelkonzerne, darunter auch aus dem Bereich Fischverarbeitung, besitzt Bremen wider allen Vorurteilen beträchtliche wirtschaftliche Potenz.

Hinzu kommt die Bedeutung Bremens als Logistikstandort. Detthold Aden, Vorstandsvorsitzender des Hafen-Betreibers BLG Logistics Group weist auf die europäische Marktführerschaft der Bremer im Bereich Automobil- und Containertransporte hin. 2010 seien allein über 600.000 Fahrzeuge, die per Bahn aus Bayern und Baden-Württemberg gekommen sind, über Bremerhaven in alle Welt verschifft worden – fast 60 Prozent aller Fahrzeugexporte des Hafens. Im laufenden Jahr wird sich diese Zahl weiter erhöhen. „Ohne unsere Seehäfen würde Deutschland nicht zu den exportstärksten Nationen gehören“, so Aden.

Auch für weitere Bereiche der bayerischen Exportwirtschaft habe Bremen und sein Hafen große logistische Bedeutung, so der BLG-Chef in München. Die in Bayern produzierten Güter aus Maschinenbau, Autoteile, Elektrotechnik, Nachrichtentechnik, Luft- und Raumfahrt sowie der Medizin-, Mess-, Steuer- und Regelungstechnik werden hauptsächlich in Containern nach Bremen und Bremerhaven befördert und dann weiter weltweit verschifft. Aden weiter: „Wenn Sie irgendwo in Deutschland einen Gebrauchsartikel von Tchibo kaufen, dann ist der immer durch unsere Hände in Bremen gegangen. Dasselbe gilt für Drucker und Kopierer von Konica Minolta oder Möbel von IKEA.“

Nach Überwindung – zumindest für den Bremer Hafenbetreiber BLG Logistics Group – der schwersten Schifffahrtskrise seit Erfindung des Containers kann Vorstandschef Detthold Aden eine Verdoppelung des Umsatzes auf etwa 900 Millionen Euro für 2010 vorweisen. Die Logistik als drittstärkster Wirtschaftssektor Deutschlands setzt nun auf die Energiewende und ihre positiven Effekte. Auch die BLG Logistics Group habe mit der Neueröffnung der Kaiserschleuse – zwischenzeitlich Europas größte Wasserbaustelle – Innovationskraft bewiesen und sich auf die künftigen Herausforderungen durch das Offshore-Windenergie-Geschäft vorbereitet.

Die Freie Hansestadt Bremen präsentiert sich auf der Messe „transport logistic“ in München erstmals mit der neuen Standortmarke „Via Bremen“ und informiert über die Aktivitäten der Hafen- und Logistikwirtschaft. Die Initiative „Via Bremen“ vereint die Akteure dieser Wirtschaftsbereiche und dient als unternehmensneutrale Koordinierungs-, Informations- und Kommunikationsplattform sowie zur Unterstützung bei der gemeinsamen Vermarktung des Standortes. Hans-Joachim Schnitger, Präsident der Bremischen Hafenvertretung erwartet von der Initiative „Via Bremen“ mit ihrer Bündelung der Kompetenzen auch eine Stärkung der Hafen- und Logistikwirtschaft als in Bremen wichtigsten Wirtschaftsfaktor im internationalen Wettbewerb.