Mönchengladbach probt den Neuanfang


Noch ist der druckfrische Masterplan für Mönchengladbach nicht als Rahmenplan beschlossen, da werden schon die ersten Problemfelder sichtbar.

Strukturwandel hat in Mönchengladbach einen eigenen Namen: Statt für Kohle und Stahl schlug hier einst das Herz der westdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie, wo in rund 400 Betrieben etwa ein Drittel der damaligen deutschen Produktion entstand (Quelle: Baedeker Ruhrgebiet 1959). Das ist lange vorbei und Fußball alleine kann das Defizit nicht wettmachen. Ein Trostpflaster sind die Mönchengladbacher Abteilungen der Hochschule Niederrhein, aber noch gelingt es nur schlecht, die Jugend auch in der Stadt zu halten. Zu wenig Angebot, zu wenig Lebensqualität. Das soll sich ändern, ginge es nach den Initiatoren des Vereins „MG3.0_Masterplan Mönchengladbach e. V.“, die mit MG3.0 symbolisch eine dritte Stadtgründung anvisieren. Sie hatten genug von Stückwerk und Stillstand in der Stadtentwicklung und nahmen 2010 die Dinge selbst in die Hand, sprich die Erarbeitung einer Zukunftsvision in Form eines Masterplans. Damit beauftragten die örtlichen Architekten, die den Verein ins Leben riefen, mit Nicolas Grimshaw aus London ein internationales Schwergewicht der Profession. Aber statt einen fertigen Plan zu liefern, ließen sich dessen MitarbeiterInnen auf einen ungewöhnlich vielschichtigen Prozess ein. Zwei Jahre lang wurde in Dialogen mit Bürgern diskutiert, gab es Expertenworkshops und Gespräche mit Unternehmen und der IHK. Letztere trugen denn auch wesentlich zur Finanzierung bei, denn in einer Mittelstadt ist es kein leichtes Unterfangen, 600.000 Euro „nur“ für einen Masterplan einzusammeln. Seit dem 4. Dialog im Dezember 2012 liegt nun das Ergebnis vor – und der Verein hat die Aufgabe vor der Brust,  daraus die Beschlussvorlage für einen Rahmenplan abzuleiten, den Politik und Verwaltung sich zu eigen machen können.

 

Kernpunkte des Masterplans sind weniger die Ausweisung neuer oder die Umwandlung bestehender Baufelder, sondern die generelle Ausrichtung auf eine bessere Orientierung in der Stadt und eine bessere Vernetzung mit Grünräumen, mit Fuß- und Radwegen. Dafür haben die Planer drei nach Süden gestaffelte, in Ost-West-Richtung verlaufende Zonen definiert: Einmal entlang des Flüsschens Gladbach, das südlich des Abteiberges die Stadt durchfließt und bisher nur marginal in Erscheinung tritt. Entlang dieser großen Linie reihen sich die City Ost, wo zum Jahreswechsel das erste B&B-Hotel der Stadt eröffnete, das Bahnhofsumfeld, die im Bau befindlichen Mönchengladbach Arcaden der mfi AG in der Haupteinkaufszone und das historische Zentrum auf dem Abteiberg mit Museum und Stadtmauerresten.  Die zweite Zone umfasst das Hochschulviertel, das Stadträume über die Barriere der in Nord-Südrichtung verlaufenden Bahnstrecke hinweg verbinden und zugleich frühere Industriequartiere mit denkmalwertem Bestand einbeziehen könnte. Und schließlich stecke eine Menge Potenzial im Ortszentrum der 1975 eingemeindeten Stadt Rheydt mit ihrem ganz eigenen Charakter, die aber in der Gesamtstadt zu wenig präsent sei.

 

Zwar hoben die Verantwortlichen besonders hervor, dass die ursprünglichen Ideen in Gesprächen mit Bürgern und Unternehmen modifiziert worden seien, aber wie es aussieht, treten bereits die ersten Konflikte ans Licht, nachdem Oberbürgermeister Norbert Budde im Dezember noch Hoffnung gemacht hatte, u.a. für die City-Ost auf ehemaligem Bahnareal schon jetzt dem Masterplan zu folgen und Büronutzungen anzustreben.  Damit jedoch wird ein laufendes Verfahren tangiert. aurelis Real Estate hat als Eigentümerin der 7,3 ha  Fläche beim Verwaltungsgericht Düsseldorf Klage erhoben. Nicht, um grundsätzlich den Ansatz in Frage zu stellen, sondern weil ihre Bauvoranfrage nicht fristgerecht innerhalb von drei Monaten beantwortet wurde. Dabei geht es um einen Hornbach-Markt, der passgenau auf den im September 2002 fraktionsübergreifend verabschiedeten Rahmenplan City-Ost mit Fachmarktzentrum zugeschnitten worden sei. Einwände der Stadt betrafen damals die Bodensanierung im Bereich des ehemaligen Gaswerkes, ein noch vorhandenes Fremdgrundstück und notwendige Absprachen über den Ausbau der Breitenbachstraße. Dann könne es im Verfahren weitergehen. Alle drei Punkte seien gelöst worden, der Boden saniert, das Fremdgrundstück angekauft und der Erbbaurechtsvertrag gegen eine Vergütung aufgelöst. Zudem wurden alle aufstehenden Gebäude abgebrochen und das Gelände für eine mögliche Bebauung vorbereitet. Statt wie zugesagt das Projekt zügig weiter voranzubringen, führte nun das Masterplanverfahren zu neuen Verzögerungen. Darauf hin hat aurelis BulwienGesa mit einem Gutachten über Büronutzungen an dem Standort beauftragt, Ergebnis: Ein Büromarkt, der durchschnittlich 23.000 qm Bürofläche im Jahr umsetzt, könne 145.000 qm nur auf diesem Baufeld kaum verkraften. „Mit der Steinmetzstraße in der Innenstadt und dem Nordpark gibt es bereits gute Lagen für Büroflächen, die ebenfalls noch Marktanteile für sich verbuchen werden, so dass nicht jede Vermarktung automatisch dem Areal im Bereich City-Ost zu Gute kommen wird,“ so Andreas Schulten von BulwienGesa. Er halte aber durchaus eine ergänzende Nutzung von Büroflächen in marktgerechtem Umfang für denkbar. Damit bekräftigt aurelis, wie schon im Dezember verlautbart, dass man für Gespräche offen sei. Aber die gesetzlichen Regularien müssten nun mal eingehalten werden.