Nachfrage nach Top-Standorten nur schwer zu decken

Die Verschiebungen von der schuldengeplagten „alten“ Welt in die aufstrebenden Märkte der „neuen“ Welt lassen sich anschaulich an den weltweiten Mietpreisen ablesen. War die 5th Avenue in New York lange Zeit die teuerste Lage für angesagte Einzelhandelsmarken, hat nach Feststellung des Immobiliendienstleisters CBRE inzwischen die chinesische Metropole Hongkong diese Position besetzt. Stichworte für diese Entwicklung in Fernost und die Nachfrage von  internationalen Mode- und Luxusmarken nach Flächen in der Stadt sind die zunehmenden  Touristenströme und  der wachsende Wohlstand bei der Wohnbevölkerung.

Für ideale Verkaufsflächen müssen laut CBRE in Hongkong jährlich 41 592 US-$ pro qm gezahlt werden. Mit deutlichem Abstand und einer Jahresmiete von 26 641 $ je qm folgt die US-Metropole New York (Foto: C&W) im 1. Quartal 2012 auf dem 2. Rang. Der Vergleich mit dem 4. Quartal 2011 zeigt in beiden Städten eine deutliche Mietsteigerung von 9 bis 10%, während sich die Mieten in der gesamten von CBRE erfassten Städte-Rangliste nur moderat veränderten.

Unterstützt wurde die Suche des internationalen Einzelhandels in den „Emerging Markets“ nach neuen Verkaufsflächen durch die große Zahl neuer, hochklassiger Shopping-Center. Doch wie CBRE feststellt, kann – selbst in China, dem aktivsten Shopping-Center-Markt – die wachsende Zahl von Center-Flächen die Nachfrage nach Top-Standorten nicht befriedigen.

Die australische Metropole Sydney auf Platz 3 der Rangliste verzeichnete bei einer Jahres-Spitzenmiete von 11 069 $ je qm gegenüber dem 1. Quartal 2011 einen deutlichen Rückgang von 11%, konnte ihren Platz aber dennoch gegenüber Tokio mit 11 033 $ auf Rang 4 verteidigen. Als teuerste europäische Stadt folgte London mit 10 290 $ auf dem 5. Rang. Einen Rang darunter findet sich die Schweizer Stadt Zürich mit 10 236 $ vor Meldbourne, Paris, Moskau und Beijing.

Wie gewohnt folgt Deutschlands teuerste Einzelhandelsstadt München mit einer Jahresmiete von 5 700 $ je qm mit gebührendem Abstand zur Spitzengruppe auf dem 17. Platz, gleich hinter Chicago. Als nächste deutsche Stadt steht Frankfurt mit 5 340 $ auf dem 19. Platz. In beiden deutschen Städten wurden im Jahresvergleich steigende Mieten festgestellt, was mit Blick auf die Tatsache, dass der deutsche Immobilienmarkt aus Sicht von Frank Pörschke, CEO von Jones Lang Lasalle (JLL) Deutschland,  immer noch als sicherer Hafen gilt, nicht verwundert.

Generell stellen die Experten von CBRE fest, das insbesondere die Konsumenten mit Blick auf die wirtschaftlichen Unsicherheiten in Europa bei ihren Konsumausgaben sehr vorsichtig sind. Das ist angesichts der hohen Arbeitslosigkeit in Ländern wie Italien, Spanien, Portugal oder Frankreich nicht verwunderlich. Bei den US-Bürgern haben sie dagegen mit Blick auf die wirtschaftlichen Fortschritte wieder mehr Mut zum Konsum registriert. In Asien hätten sich die Einzelhandelsumsätze, nicht zuletzt auf Grund der vielen Feste in der Region, dagegen positiv entwickelt.

Die Nachfrage des globalisierten Einzelhandels nach Qualitätsflächen in neuen, wachstumsstarken  Märkten ist nach Beobachtung von CBRE im 1. Quartal 2011 relativ stabil und hat in den Emerging Markets einen Boom beim Bau neuer Shopping-Center ausgelöst. Vor allem im asiatisch-pazifischen Raum sind Mode-Händler und vor allem Luxus-Anbieter auf der Suche nach Verkaufsflächen. Die Region EMEA – Europa, Mittlerer Osten und Afrika – steht dagegen im Fokus der US- Einzelhändler, wie auch die Entwicklung auf dem deutschen Markt zeigt.

Nach Beobachtung von Karsten Burbach, Head of Retail bei CBRE in Deutschland, ist die Nachfrage nach „Premiumflächen“ in Europa ungeachtet des sehr schwierigen Verbraucherklimas  stark und US-Einzelhändler waren besonders aktiv. Das Problem: Die Flächen in den Bestlagen der Top-Städte Europas bleiben knapp. Damit wird auch der Expansion der Einzelhändler eine Grenze gesetzt. „Da sich ein Großteil der im Bau befindlichen Flächen in Westeuropa jedoch außerhalb der Hauptstädte befindet, wird sich dieses Problem kurzfristig nicht lösen lassen und das treibt die Mieten an einigen Standorten weiter in die Höhe“, glaubt Burbach.

Zahlreiche Filialschließungen in den USA

Stark in den Fokus der internationalen Einzelhändler sind auch die dynamisch wachsenden Länder Lateinamerikas gerückt. Im Kontrast dazu steht der US-Markt mit seinem riesigen Flächenangebot. In Städten wie Miami, Washington DC oder Seattle ist zwar große Nachfrage zu beobachten, wodurch die Mieten deutlich stiegen, doch hat sich das Interesse insgesamt abgeschwächt und Filialschließungen prägen das Bild. Laut International Council of Shopping-Centers ist die Zahl der Filialschließungen gegenüber 2010 um 40% gestiegen. Der US-Einzelhandel konzentriert sich stärker auf die Modernisierung bestehender Flächen als auf Expansion.

Beim Blick auf den deutschen Einzelhandelsvermietungsmarkt konstatiert Jörg Ritter, Leiter Investment und Vermietung Einzelhandel bei JLL, dass die Vermietungsleistung im 1. Halbjahr mit 270 000 qm in 1A-Lagen an den Wert des Vorjahres (320 000 qm) nicht heranreichen konnte, aber dennoch als solide und intakt bezeichnet werden kann. Dabei registriert er einen Trend zu Top-Lagen in den Großstädten, was auch auf das große Interesse ausländischer Einzelhändler zurückzuführen ist, für die zunächst die Frequenz in den großen Fußgängerzonen zählt.

Mehr als ein Drittel der Nachfrage hat sich auf die Big 9 konzentriert, zu denen Berlin, Hamburg, Hannover, Düsseldorf, Köln, Frankfurt/M, Leipzig, Stuttgart und München zählen. Hier sind nach Berechnung des Immobiliendienstleisters Jones Lang LaSalle 100 000 qm Einzelhandelsfläche neu vermietet worden, nach allerdings 125 000 qm im Vorjahreszeitraum.

Mit Blick auf das große Interesse internationaler Einzelhändler am deutschen Markt, auf die laut Ritter mehr als die Hälfte der abgeschlossenen Neuvermietungen entfielen, ist es nicht verwunderlich, dass Berlin die Liste der gefragtesten Städte anführt. Dadurch sei die Spitzenmiete in der Stadt um 30 Euro auf 270 Euro je qm im Monat gestiegen und Berlin habe sich in die Gruppe der Top 3 vorgeschoben – hinter München (330 Euro/Monat) und Frankfurt/M (290 Euro). In den übrigen Metropolen sieht JLL die Mieten im 2. Halbjahr bei 235 bis 255 Euro je qm/Monat stabil.

Erste Spuren der Verunsicherung im deutschen Handel

Insgesamt zeigt sich Ritter auch für das 2. Halbjahr zuversichtlich, auch wenn der Vermietungswert von 250 000 qm im Vorjahreszeitraum in den Big 9 wahrscheinlich nicht wiederholt werden kann. „Einiges spricht dafür, dass Deutschland seine derzeit europaweit dominante Stellung als Expansionsziel aufrecht erhalten kann.“  Viele internationale Konzepte, die in der Heimat an Sättigungsgrenzen gestoßen seien, sähen hierzulande noch Potenzial.

Gleichwohl: Die unsichere Lage im europäischen Umfeld wird aus Ritters Sicht auch am deutschen Handel nicht spurlos vorbei gehen und es mehrten sich kritische Stimmen. „Die Entscheidungsprozesse laufen langsamer und bei Gesprächen mit Mietinteressenten schwingen vermehrt Sorgen um künftige Umsatzrückgänge mit.“ In einer abnehmenden Flächennachfrage hat sich das noch nicht niedergeschlagen.