Risiken auf den Immobilienmärkten der europäischen Peripherie

Dr. Claus Becher, Senior Economist im Immobilien Research, DekaBank

Die Staatsschulden- und Finanzkrise zieht weiter ihre Kreise über Europa und noch ist nicht abzusehen, wann und wie sie endet. Die Unsicherheit darüber verfehlt ihre Wirkung auf die Immobilienmärkte nicht – besonders in Südeuropa. Wir analysieren drei Wirkungskanäle und wagen einen Blick in die Glaskugel.

Erstens fallen aufgrund der Staatsschuldenkrise vor allem die südlichen Länder in eine tiefe Rezession. Die Sparprogramme der Regierungen zeigen Wirkung und private Investitionen bleiben bei der großen Unsicherheit auf der Strecke. Konsolidierungsprogramme, der Aufbau von neuen Bürokratien etwa zur Steuereintreibung sowie Arbeitsmarktreformen brauchen Zeit, bis sie wirken. Sucht man nach Erfahrungswerten, so könnte man nach Deutschland schauen. Dort haben die vergleichsweise zarten Hartz-Reformen fast vier Jahre gebraucht, bis sich eine positive Wirkung am Arbeitsmarkt einstellte. Zwar stehen die Länder der Peripherie unter viel größerem Handlungsdruck, dennoch ist unwahrscheinlich, dass die Reformen dort sehr viel schneller wirken. Bis sie greifen, werden Arbeitsmarkt und Mietnachfrage in den besonders betroffenen Ländern der südlichen Peripherie schwach bleiben.

Zweitens verändert die Finanzmarktkrise die Beurteilung verschiedener Arten von Mietern. So galt vor gar nicht allzu langer Zeit ein langjähriger Mietvertrag mit einer Bank oder einem staatlichen Mieter als sehr sicheres Investment. Mit der Finanzkrise und der Rezession hat sich dies nun verändert. Zum einen müssen Banken das Deleveraging fortsetzen und dies wird die Bankbilanz und den Personalbestand schrumpfen lassen. Damit steigt das Nachvermietungsrisiko von Bürogebäuden die allein auf den Finanzsektor ausgerichtet sind vor allem in Niederlassungen abseits der Konzernzentralen an. Zum anderen ist in der aktuellen Lage kaum eine Bank wirklich komplett sicher. Die Milliarden von Staatsanleihen aus den Peripherie-Staaten, die südliche Banken in ihren Büchern haben, lässt das Risiko steigen. Zudem sind Banken auch über die Grenzen hinweg teilweise stark vernetzt, sodass eine Krise des Bankensystems eines Landes auch die Banken in anderen Ländern betreffen kann.

Für das Misstrauen, welches dem Bankensystem entgegenschlägt, kann man CDS-Spreads (Credit Default Swaps, Kreditabsicherungen) als Indikator heranziehen. Sie stellen die Prämie dar, die am Finanzmarkt für das zukünftige Kontrahentenrisiko gezahlt wird. Europaweit sind die Spreads für erstklassige Finanzinstitute im europäischen Durchschnitt – zusammengefasst im iTraxx-Senior – innerhalb der vergangenen Jahre von 40 Bp. auf über 200 Bp. angestiegen (Abbildung 1). Die italienische UniCredit oder die spanische BBVA liegen bei 450 respektive 400 Bp. und dabei gelten diese beiden Banken in ihren Ländern noch als verhältnismäßig sicher. Wenn Banken nun unter anderem wegen ihrer Bestände an Staatsanleihen unter Beschuss stehen, sollte man eventuell auch einmal einen Blick auf die CDS-Spreads der einzelnen Staaten werfen. Im Falle von Italien liegen diese bei 370 Bp, gelten also ebenfalls keinesfalls mehr als vollkommen sicher. Es sollte klar sein, dass in Zeiten, in denen die Risikoprämien auf den Finanzmärkten so massiv angestiegen sind, die Qualität von Banken und Behörden als Mieter auf dem Prüfstand gestellt werden müssen. Damit sinkt mit dieser stärkeren Unsicherheit ebenfalls der Wert langjähriger Mietverträge und somit der Kaufpreis/Kapitalwert solcher Immobilien.

Drittens wird durch die Finanzmarktturbulenzen der Kreditkanal in den Peripheriestaaten gestört. Die südliche Peripherie leidet unter einem Kredit-Crunch. Immobilien-Finanzierungen werden schwierig. Nimmt man aktuelle Daten von CBRE etwa für Spanien zur Grundlage, so sind die maximalen Kreditvolumina und die maximalen Loan to Value-Verhältnisse gesunken. Die Kredit-Margen liegen bei 400 Basispunkten über Euribor, ein sehr hoher Wert. Selbst wenn man das niedrige Niveau des Basis-Zins Euribor berücksichtigt, sind die Finanzierungskosten (wenn man denn eine Finanzierung bekommt) im jüngeren historischen Vergleich sehr hoch. Auch dies belastet die Kapitalwerte. ►

Fasst man die drei Argumente zusammen, so belasten aktuell Konjunktursorgen, Zahlungsunsicherheit und auch noch Finanzierungsschwierigkeiten die Mietmärkte der südlichen Peripherie. Für die Zukunft sollte man erwarten, dass sich die Konjunktur und die Arbeitsmärkte in diesen Ländern eher schleppend erholen. Trotz aller Anstrengungen brauchen Struktur-Reformen Zeit. Kapitalmarktseitig haben die Finanzmarktakteure zwar freudig auf die Aussage von EZB-Chef Draghi reagiert, dass die Notenbank alles notwendige tun werde, um den Euro zu retten. Dieses sehr starke Statement war auch notwendige Voraussetzung und wird zu einiger Beruhigung führen. Gelöst ist die Unsicherheit im Finanzsystem dadurch jedoch nicht. Viel eher ist zu erwarten, dass uns die Staatsfinanzkrise noch mehrere Jahre begleitet, so dass momentan die Risiken noch größer als die Chancen sind.