Schweinfurt: Heraus aus dem Windschatten von Würzburg

Uwe Seidel, geschäftsführender Gesellschafter
von Dr. Lademann & Partner, Hamburg.

Dr. Lademann & Partner hat jüngst die Arbeiten zum integrierten gesamtstädtischen Einzelhandelsentwicklungskonzept der Stadt Schweinfurt im Auftrag der Stadt abgeschlossen. Damit eröffnet sich die Chance für einen Vergleich mit der Situation in den Jahren 2004 und 2005, als das bundesweit tätige Beratungsunternehmen zuletzt in Schweinfurt im Auftrag der Stadt tätig war.

Uwe Seidel

Uwe Seidel

Regelmäßig wird Schweinfurt als kreisfreie Stadt in Unterfranken unterschätzt: Der nüchterne Blick auf die städtischen Einwohnerzahlen (rund 53 000 Einwohner im Stadtgebiet) lässt eher ein Mittelzentrum vermuten. Tatsächlich kann die Stadt am Main als Oberzentrum auf gut 110 000 Einwohner im Großraum Schweinfurt – „Greater Schweinfurt“ – zurückgreifen. In dieses Bild passen die gut 40 000 Einpendler, die ihren Arbeitsplatz täglich in Schweinfurt aufsuchen.

Während sich die Nachbarstadt Würzburg nach dem Auslaufen des Moratoriums infolge des Bürgerentscheids gegen die Würzburg Arcaden aktuell erneut mit dem Thema Shopping-Center – jetzt allerdings am sogenannten Mozartareal – beschäftigt, kann man in Schweinfurt auf erste Erfahrungen mit einer innerstädtischen Stadtgalerie verweisen. Interessant dabei ist, dass die Idee für ein innerstädtisches Einkaufszentrum aus städtischen Überlegungen resultiert, die in den 1990er-Jahren angestellt wurden und die in Ansiedlungsgespräche der Stadt mit Investoren mündeten.

Die Stadtgalerie Schweinfurt (Foto) an der Schrammstraße wurde Ende Februar 2009 eröffnet. Die Hamburger ECE realisierte ein modernes Shopping-Center mit 22 500 qm Einzelhandelsverkaufsfläche, das neben dem – in der Innenstadt lang ersehnten – Unterhaltungselektronik-Fachmarkt Saturn mit dem Textilkaufhaus C&A und einem tegut-Verbrauchermarkt sowie knapp 100 weiteren Shops und Gastronomie aufwartet. Es zeigt sich, dass durch den Schwerpunkt auf Young Fashion im Gegensatz zur historischen Kernstadt vor allem junge und mittlere Altersgruppen im Center dominieren. Damit ist die Strategie der Stadt aufgegangen, gerade „die Jungen“ und „das Mittelalter“ als Kunden der City zurückzugewinnen und die Nachfrageabflüsse vor allem nach Würzburg zu reduzieren.

Durch die Fertigstellung der A 71 reicht das Einzugsgebiet des Centers heute unmittelbar an die thüringische Landesgrenze heran und wird im Norden lediglich von der Ausstrahlung der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt begrenzt. Das Marktgebiet des Schweinfurter Einzelhandels umfasst aktuell knapp 390 000 Einwohner. Bis 2020 wird diese Einwohnerzahl gleichwohl angesichts der Bevölkerungsverluste im Raum um etwa 10 000 Personen abnehmen.

Um sich gegenüber Würzburg „emanzipieren“ zu können, spielen die Themen Erreichbarkeit und Stellplätze für die Innenstadt in Schweinfurt eine zentrale Rolle. Inzwischen stehen hier knapp 5 800 Stellplätze zur Verfügung, davon fast 3 000 in Parkhäusern. Und das bei Tarifen, die bei „shoppingfreundlichen“ 0,50 bis 1 Euro liegen. Hier – bei den zentralen Schlüsselfaktoren für das Shopping – kann Schweinfurt gerade gegenüber den großen Nachbarn Würzburg, Bamberg und Nürnberg punkten.

Der Verein „Schweinfurt erleben“, der auch die Aktivitäten des City-Managements wahrnimmt, arbeitet inzwischen mit hoher Professionalität auf einer verbreiterten Mitgliederbasis. Neben den auch anderswo üblichen Stadtfesten hat sich inzwischen auch Schweinfurt@night etabliert, eine Veranstaltung, die Kunst und Kommerz verbindet. Besondere Aktionen des Einzelhandels wurden hier geschickt mit kulturellen Angeboten und Konzerten verknüpft.

Eine ganze Reihe städtebaulicher Maßnahmen wurden parallel zum Bau der Stadtgalerie umgesetzt, um die städtebaulich-funktionale Anbindung der Kernstadt über den neuen Busbahnhof und das Warenhaus Galeria Kaufhof an das neue Shopping-Center zu gewährleisten. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Es sind völlig neue, anspruchsvoll gestaltete Verweil- und Verknüpfungszonen (Foto) realisiert worden, die den Austausch zwischen den innerstädtischen Bereichen signifikant fördern. Neben TKMaxx und weiteren größeren und kleineren Neuankömmlingen ist insbesondere Schuh Mücke hervorzuheben, der das vormals problematische Rückert-Center am Marienbach im Kontext der kompletten Neugestaltung der Immobilie heute mit einem attraktiven Schuhfachmarkt direkt in der Innenstadt belegt. Auch wenn damit die Achse der Rückertstraße vom Marktplatz her einen neuen Endpunkt aufweist, konnten nicht alle Nebenlagen der Innenstadt profitieren. Der Hauptfokus ansiedlungswilliger Einzelhändler und Filialisten richtet sich mehr denn je auf die Kesslergasse und die Spitalstraße.

„Das eine tun, ohne das andere zu lassen“, war auch in Schweinfurt die Maxime der Ansiedlungspolitik der vergangenen 10 Jahre. Insbesondere im Gewerbegebiet Maintal an der Autobahn 70 wurden zuletzt das Wohnkaufhaus XXXL Neubert und der ebenfalls zu österreichischen Lutz-Gruppe gehörige SB-Möbler Mömax realisiert. Die nächsten Monate werden zeigen, wie sich die zusammen etwa 40 000 qm Verkaufsfläche im regionalen Wettbewerb durchsetzen werden. Noch ist es hier zu früh, eine Erfolgsbilanz zu ziehen.

Verkaufsfläche und Zentralität deutlich gesteigert

Seit Dr. Lademann & Partner, das Unternehmen berät bundesweit bei den Themen Stadtentwicklung und Einzelhandel und fungiert als Gutachter bei großflächigen Einzelhandelsvorhaben, die Lage im Jahr 2005 untersucht hatte, ist die Verkaufsfläche im Schweinfurter Stadtgebiet von 177 000 qm auf nunmehr gut 237 000 qm gestiegen (rechnerischer Zuwachs von 6 % pro Jahr). Die Schweinfurter Innenstadt verfügt nach einem Zuwachs von fast einem Drittel nunmehr über mehr als 75 000 qm aktive Einzelhandelsverkaufsfläche. Allein das ist ein Riesenerfolg.

Wenn sich die o.g. neuen Möbelfachmärkte im regionalen Wettbewerb durchsetzen können, dann wird die Stadt Schweinfurt eine Einzelhandelszentralität von insgesamt knapp 270% erreichen können (Basis: 53.000 Einwohner im Stadtgebiet). Bezieht man die funktional zum Stadtgebiet gehörigen Einwohner des Landkreises mit ein, läge der Wert immerhin noch bei etwa der Hälfte.

In Schweinfurt zeigt sich erneut, dass sich die Realisierung eines innerstädtischen Einkaufszentrums als Impuls für weiterführende Investitionen eignet. Neben den Einzelinvestitionen (siehe oben) spielen dabei innerstädtische Quartiersentwicklungen und Schlüsselprojekte eine ganz besondere Rolle. Unter diesen Quartiersentwicklungsmaßnahmen ist aktuell insbesondere das Projekt „Neue Hadergasse“ hervorzuheben. Die Basis des Vorhabens bildet eine drei- bis viergeschossige Tiefgarage (direkt in der Innenstadt) mit rund 470 Stellplätzen. Geplant sind die Errichtung eines Hotels, eines Baukörpers für Studentisches Wohnen, ein Frischemarkt, Büros und Praxen sowie insgesamt knapp 30 Wohnungen, teilweise mit exklusiven Dachterrassen mit Blick auf den Theater-Park.

Das Projekt der Bietergemeinschaft Glöckle/Riedel, Schweinfurt, auf Grundlage einer Planung des Architekturbüros Ropertz & Partner, Schweinfurt, ist das Ergebnis eines europaweiten Investorenwettbewerbs. Schweinfurts Oberbürgermeister Sebastian Remelé spricht zu Recht von einem „weiteren Meilenstein für die Entwicklung der Innenstadt“, er steht damit in der Tradition seiner engagierten und geschätzten Vorgängerin Gudrun Grieser, die die Geschicke der Stadtentwicklung von 1992 bis 2010 lenkte. Die Realisierung des Projekts „Neue Hadergasse“ wird 2013 beendet sein.

Fazit: Aktuelle Anfragen zeigen, dass Schweinfurt nicht nur als Einkaufsstadt für die Verbraucher der Region wesentlich attraktiver geworden ist, sondern nunmehr auch die Immobilienwirtschaft reges Interesse an weiteren Investitionen in Schweinfurt hegt.