Sozialimmobilien – „Der deutsche Markt für Sozialimmobilien ist fundamental attraktiv“

Interview mit Axel Hölzer (Foto), HIC Healthcare GmbH, über Chancen und Potenziale von Sozialimmobilien und wie man Sozialimmobilien erfolgreich betreiben kann. Der Fachmann für Immobilien- und Organisationsentwicklung ist auf die nachhaltige Strukturierung privatwirtschaftlicher Träger von Senioren- und Pflegeheimen, Krankenhäusern sowie Rehabilitationszentren spezialisiert.

Axel Hölzer

Axel Hölzer

Der Immobilienbrief: Wie schätzen Sie die Marktsituation für Sozialimmobilien ein?

Axel Hölzer: Zwischen 1999 und 2007 wurden jährlich durchschnittlich 150 neue Seniorenheime gebaut. In der Folge der damit einhergehenden partiell aufgetretenen Überkapazitäten und den – durch die Finanzkrise – fehlenden Finanzmitteln ist die Anzahl der Neubauten danach deutlich zurückgegangen. Die Hälfte der insgesamt 11.600 Immobilien ist heute älter als 20 Jahre, ein Drittel davon sogar älter als 30 Jahre. Diese Häuser sind häufig klein, ohne Hotel- und Hospitality-Charakter. Zudem haben sie oft unattraktive Gebäudestrukturen und ein unzureichendes Einzelzimmerangebot. Dies alles führt dazu, dass jährlich etwa 0,5 Prozent der Einrichtungen aus dem Markt ausscheiden.

DIB: Welche Wachstumspotenziale sehen Sie mittelfristig?

Hölzer: Der deutsche Markt für Altenpflege – und damit auch der Markt für Sozialimmobilien – ist aufgrund der zu erwartenden Nachfrageentwicklung fundamental attraktiv. Die Gruppe der über 85-Jährigen wird in den kommenden zehn Jahren um 35 Prozent wachsen. Schätzungen zufolge wird sich die Zahl der Menschen, die stationär versorgt werden, von heute 793.000 auf 943.000 im Jahr 2020 erhöhen, was einem jährlichen Anstieg von 1,9 Prozent entspricht. Hinzu kommen veränderte Familienstrukturen (kinderlose Paare, mehr Singlehaushalte), die den Bedarf an stationärer und ambulanter Pflege weiter erhöhen werden. Diese Entwicklungen überkompensieren die rückläufige durchschnittliche
Verweildauer, die durch Wohnformen wie ambulante Pflege zu Hause oder betreutes Wohnen zu einem späteren Eintritt in stationäre Einrichtungen geführt haben. Bei einer Marktbelegung von 89 Prozent – das ist der langjährige Durchschnittswert der Branche – müssen zur Abdeckung des steigenden Bedarfs und der anzunehmenden altersbedingten Schließung von Objekten bis 2020 insgesamt 173.000 Betten, also 19.000 Betten jährlich (circa 190 Seniorenheime), neu gebaut werden. Auf der Erlösseite stehen sichere staatlich garantierte Einnahmen durch Pflegekasse, Rentenversicherung und Sozialhilfe, die als Basis einer langfristigen Finanzierung dienen.

DIB: Wie kann man Sozialimmobilien erfolgreich betreiben – sowohl aus Sicht der Eigentümer/Investoren als auch aus Sicht der Mieter?

Hölzer: Trotz regulierter Marktpreise kann bei durchschnittlicher Belegung eine Betriebsmarge von 28 Prozent (HPS-Report 7/2011: Casa Reha, Curanum, Senator, Marseille) vor Finanzierungskosten erreicht werden (untere Grenze der Branchen-Peers, die 28 bis 32 Prozent aufweisen), wenn verschiedene Faktoren gegeben sind: Die Pflegesätze müssen am oberen Ende des Korridors der Region angesiedelt sein. Dies ist dann der Fall, wenn sehr gute Pflege- und Servicequalität nachweisbar gemacht werden können, zum Beispiel durch externe Zertifizierung, MDK-Bewertung oder Spezialisierung. Weiterhin muss die Steuerung der Kosten durch standardisierte und IT-basierte Prozesse anhand von Benchmarks jederzeit überprüfbar sein und die Immobilie muss fortlaufend in einem – der Preiskategorie entsprechenden – guten Zustand gehalten werden. Setzt ein Betreiber mit einer gewissen Betriebsgröße (15 Betriebe mit insgesamt etwa 1.500 Betten) dies um, stehen dem Finanzier circa 65 Prozent des operativen Betriebsergebnisses (EBITDAR) zur Finanzierung eines langfristig stabilen Cashflows zur Verfügung.

DIB: Stichwort: Immobilien-Management. Wo werden hier bei Sozialimmobilien die meisten Fehler gemacht?

Hölzer: Häufige Fehler sind erstens unterlassene und/oder fachlich nicht notwendige Instandhaltungen beziehungsweise Wartungen der Immobilien und zweitens überhöhte Finanzierungskosten im Verhältnis zu den gebotenen Immobilienstandards. Das führt dann dort zu Leerstand, wo zurzeit noch Angebotsüberhänge bestehen. Nicht zu vergessen sind Strukturprobleme in der Immobilie wie unzureichendes Einzelzimmerangebot, fehlende Bäder oder unwirtschaftliche Flächenangebote.

DIB: Was sind die wichtigsten Stellschrauben für Einsparpotenziale bei Sozialimmobilien?

Hölzer: Optimierung der Prozesse und der IT führen zu mehr Effizienz und Kostenersparnis. Weiteres Potenzial sehe ich bei der Nutzung von Einkaufsgemeinschaften und bei der Finanzierung der Immobilie. Gerade bei Letzterem wurden in der Vergangenheit bei Sale-and-lease-back-Transaktionen häufig überzogene Kaufpreise vereinbart, so dass heute bei gedeckelten Erstattungsbeträgen und durchschnittlicher Marktbelegung die Wirtschaftlichkeit stark reduziert ist. In einem solchen Fall ist eine Neuverhandlung der Mietvertragskonditionen erforderlich.

DIB: Haben Sie ein konkretes Rechenbeispiel parat?

Hölzer: Eine durchschnittliche Einrichtung in den alten Bundesländern erzielt einen Umsatz von 90 Euro pro Tag und Bett. Ein durchschnittliches Bett hat Gestehungskosten von 75.000 Euro (Immobilie, Betriebs- und Geschäftsausstattung). Dies führt bei unterstellten Kapitalkosten von 6,75 Prozent zu einer Kostenbelastung von 14,60 pro Tag und Bett. Hinzu kommen kalkulatorische Kosten für Dach und Fach (Ansparrücklage 2 Euro pro Tag und Bett). Damit hat der Investor 16,60 Euro pro Tag und Bett zu tragen. Die anteilige Betriebsmarge von 28 Prozent auf den Tagessatz beträgt 25,20 Euro – hiervon 65 Prozent für den Investor ergibt 16,60 pro Tag und Bett. Der anteilige Pflegesatz für Gebäudekosten inklusive Instandhaltung beträgt rund 20 Euro pro Tag und Bett, so dass die Immobilienkosten getragen werden können. Dies bedeutet für den Investor bei der derzeitigen Marktlage langfristige Finanzierungskosten für Fremdkapital von 3,75 Prozent (50 Prozent der Gesamtinvestition) sowie eine Eigenkapitalrendite von 9,75 Prozent vor Steuern (bei – konservativ geschätzt – 50 Prozent Eigenmitteln in der Gesamtinvestition). Upside-Potenziale sind eine höhere Rentabilität aufgrund einer überdurchschnittlichen Belegung und optimierte Finanzierungskosten aufgrund eines höheren Verschuldungsgrades.