US-Immobilienmärkte bleiben in der Krise – Clemens Vedder im Interview

 

Clemes Vedder ist ein seit Jahrzehnten in Deutschland bekannter Investor. Bekannt wurde er als Großaktionär der Commerzbank über Insider-Kreise hinaus. Diesen Deal konnte er gegenüber manchmal anders lautenden Berichten mit Gewinn abschließen. Heute ist er über Goldsmith einer der Großaktionäre der IVG. Vedder lebt u.a. in den USA und beobachtet den dortigen Markt. Im vergangenen Jahr sagte er eine weitere Abwärtsbewegung des
Wohnungsmarktes voraus.

„Der Immobilienbrief“: Wie sieht es denn dieses Jahr mit der Stimmung in USA aus?

Clemens Vedder: Ich habe Ihnen einmal den Film „Inside Job“ mitgebracht. Die Herstellung des Filmes hat lt. Cover 20.000.000.000.000 USD gekostet. In diesem Film geht es hauptsächlich um die Aufarbeitung der Finanzkrise. Selbst unter Obama sind heute teilweise die gleichen Personen für die Kontrolle der Finanzmärkte zuständig, die nach Recherchen von Regisseur Charles H. Ferguson die Krise durch die Liberalisierung der Finanzmärkte mit ausgelöst haben. Der Film polarisiert. Auf die Stimmung der Bevölkerung drückt heute besonders, dass die Verursacher der Krise nicht zur Rechenschaft gezogen wurden, während für die breite Bevölkerung die Krise harte Realität wurde, an der sie heute noch leidet.

Die wesentlichen Auslöser und Akteure der Krise waren die US Finanzaufsichtsgremien (Federal Reserve, SEC und Regierung), Rating-Agenturen und Schattenbanken. Die Lobbykosten der Finanzindustrie werden auf ca. 5 Mrd. USD jährlich geschätzt. Gegen diese geballte Finanzkraft können die jeweilige Regierung und die Aufsichtsinstitutionen in Amerika nicht bestehen. Gleichzeitig ist die Abhängigkeit der Rating Agenturen von den Investment Banken problematisch. Ca. 600.000 USD wurden für eine Prüfung eines 500 Mio. USD CDOs berechnet. AAA Investment Grade wurde von Pension Funds benötigt um in CDOs zu investieren. Selbst Tage vor dem Kollaps waren Lehman Brothers, AIG & Countrywide immer noch mit A+ bewertet. Schattenbanken (Shadow Banks) trugen über leichtfertige Kreditvergabe an NINJA Kunden (No Income, No Job and Assets) als Adjustable Rate Mortgage mit sehr niedrigen Zinsen in den ersten 1-2 Jahren bei weitgehender Tilgungsfreiheit zum Desaster bei. Die Kredite wurden nur kurzfristig finanziert, gebündelt und an Investment Banks weitergegeben, und mit AAA-Rating an Investoren verkauft.

„Der Immobilienbrief“: Die Immobilien sind aber noch da. Bei niedrigerem Kaufpreis zu
Lasten des Bankensystems können die Käufer doch jetzt normale Zinsen zahlen. Wo liegt
das Problem?

Clemens Vedder: Die Häuser sind aber oft noch weniger wert. Subprime Bauqualität ist ein wesentlicher Grund der Finanzkrise. Die Wiederverkaufspreise werden durch nicht adäquate Bauqualität, auftretende Schimmelpilzentwicklung, Verarbeitung von chemischen Stoffen und damit erhöhte Schadstoffbelastung über den Finanzierungszeitraum stark vermindert. 

„Der Immobilienbrief“: Wie sieht es heute aus auf den Märkten?

Clemens Vedder: Nach einer Erholung der Immobilienpreise seit März 2009 zeigt der Case-Shiller-Index jetzt in Richtung eines weiteren rapiden Wertrückgangs. Im ersten Quartal 2011 gab der Index mehr als 4% nach. Dies ist eine alarmierende Entwicklung, wenn man bedenkt, dass die Hauskäufe zugenommen haben und die Zinsraten für Immobilienkredite auf immer noch niedrigen Stand sind. Es wurden zu Hochzeiten der Kreditvergabe im Durchschnitt sensationelle 93,6% Fremdkapital gewährt. Zu den 6 Millionen Zwangsversteigerungen in 2010 werden weitere bis zu 12 Millionen „foreclosures“ bis 2012 erwartet.

„Der Immobilienbrief“: Welche Lösungsansätze gibt es?

Clemens Vedder: Robert Shiller, Wirtschaftswissenschaftler der Universität Yale, hat nachgewiesen, dass die Idee, ein Haus als Investment zu besitzen, einer Illusion gleichkommt. Der Ertrag pro Jahr liegt seit 1933 im Durchschnitt zwischen einem und drei Prozent. Der amerikanische Traum „ein Haus zu besitzen“ verdient hervorragende Baumethoden, die ein Asset schaffen, dass 30 Jahre und mehr hält. Dies wird essentiell, wenn die Häuser auf Kredit und mit kleinen Eigenkapitalanteilen gekauft werden. Die Idee, ein Haus über langfristige Kreditzahlungen zu kaufen, macht nur Sinn, wenn das Haus mehrere Generationen übersteht. Die vergangene Krise hat gezeigt, dass die meisten von internationalen Investoren gekauften Kredite keine wirklichen Assets als Sicherheit hatten. Dieses Investment Vehikel hat jedoch wesentlich zu Wirtschaftswachstum in den Vereinigten Staaten beigetragen. Wirkliche Assets zu kreieren, ist daher nicht nur für die Hauseigentümer wichtig, sondern auch für institutionelle Investoren und somit entscheidend für die Vereinigten Staaten.

„Der Immobilienbrief“: Wie schnell kommt denn die US-Wirtschaft wieder aus dem Tal?

Clemens Vedder: Da bin ich zunächst nicht so optimistisch. Die angeschlagene US Immobilienwirtschaft benötigt einen beherzten Strukturwandel. Gefahren, die eine solche Unternehmung allerdings im Keim ersticken könnten lauern momentan fast an jeder Ecke der strauchelnden Weltwirtschaft. Stolperstein ist u.a. die US-Staatsverschuldung, die derzeit schöngerechnet wird. Dennoch wurde die gesetzlich geregelte Schuldenobergrenze von 14,3 Billionen Dollar wurde vor wenigen Wochen durchbrochen. Viele US-Bundesstaaten können ihre gigantischen Haushaltslöcher nicht mehr stopfen. Der Markt der amerikanischen Kommunalanleihen gerät aus Angst unter Druck. Privatanleger haben in den letzten 15 Wochen insgesamt 26 Milliarden aus diesen Wertpapieren gezogen. Hedgefunds stützen momentan durch ihre Käufe den Markt. Aus meiner Sicht viel zu früh, da noch weitere Kurseinbrüche zu erwarten sind. Euro-Krise und täglich neue Hiobsbotschaften von den PIIGS Ländern verunsichern zusätzlich. Die versteckte Inflation ist ebenfalls gefährlich. Die Berechnung des sogenannten CPI-Index ist in den letzten Jahrzehnten auffallend oft angepasst worden. Als die Inflationsraten trotzdem aufgrund der gestiegenen Energiekosten immer noch zu stark stiegen, wurde durch Greenspan eine „Core Inflation“ eingeführt, die Energie- und Lebensmittelsteigerungen ausklammert.

Schlusswort: All diese bedrohlichen Szenarien zeichnen ein düsteres Bild für die globale Weltwirtschaft. Aus meiner Sicht ist der Tiefpunkt noch nicht erreicht. Gefahren aus den USA, Asien und Europa können die totgesagte Krise wieder aufflammen lassen und noch verschlimmern. Ein kleines Experiment, welches die Gewinne mit der Aktienentwicklung der Dow Jones Unternehmen vergleicht, hat gezeigt, dass seit Ende 2009 die Aussage „Aktienperformance folgt Gewinnen“ nicht mehr stimmt. Aktienkurse steigen, obwohl Gewinne stagnieren. Wer manipuliert hier? Wer stützt die Märkte? Aber dennoch ist es eine spannende Zeit für alle Investoren. Fallende Märkte und Krisen sind für uns auch immer gute Möglichkeiten zu investieren.