Welche Auswirkung hat es auf das Verhältnis gewerblicher Mietvertragsparteien, wenn sich die Mieterstruktur im Umfeld des Mietobjekts ändert?

Hierüber verhält sich eine Entscheidung des BGH vom 17.03.2010 – XII ZR 108/08 (OLG München)

Zum Sachverhalt:
Mit Vertrag vom 20.02.2005 vermietete die Vermieterin an die Mieterin Räume im Erdgeschoss eines sechsgeschossigen im Bau befindlichen Gebäudes zum Betrieb eines Cafés für zehn Jahre mit einmaliger Verlängerungsoption. Nachdem sich die von der Vermieterin geplante Vermarktung der ersten vier Obergeschosse als Büroraum nicht realisieren ließ, veranlasste sie im Sommer 2005 den Ausbau dieser Geschosse als Wohnraum. Ab September 2006 geriet die Mieterin mit der Zahlung der monatlich i. H. v. € 3.114,30 geschuldeten Miete in Rückstand. Sie zahlte im September 2006 nur einen Teilbetrag von € 1.000,00 und in den Folgemonaten bis November 2006 keine Miete. Am 12.11.2006 schlossen die Parteien unter Hinweis auf die schwierigen wirtschaftlichen Verhältnisse der Mieterin eine Vereinbarung, mit der die Miete rückwirkend ab September 2006 für sechs Monate bis zum 28.02.2007 um monatlich € 1.000,00 inklusive MwSt. reduziert wurde. Weiter stundete die Vermieterin den von der Mieterin anerkannten Mietrückstand zinslos bis Ende Februar 2007. Bei Verzug der Mieterin mit der reduzierten Miete sollte der Rückstand innerhalb von fünf Tagen zur vollen Zahlung fällig sein. Im Gegenzug ließ sich die Vermieterin ein bis zum 28.02.2007 bestehendes ordentliches Kündigungsrecht mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten einräumen. Gestützt auf dieses Kündigungsrecht erklärte sie mit Anwaltsschreiben vom 29.01.2007 die ordentliche Kündigung des Mietvertrages. Mit Schreiben vom 23.07.2007 und vom 15.02.2008 kündigte sie den Mietvertrag fristlos wegen Zahlungsverzugs.

Aus den Gründen:
Das LG hat der Räumungsklage stattgegeben, das OLG hat sie abgewiesen. Es falle in den Risikobereich der Vermieterin, die geplante Vermarktung der ersten vier Obergeschosse als Gewerbeeinheiten zu realisieren. Dadurch, dass ihr dies nicht gelungen sei, sei eine wesentliche Veränderung der Geschäftsgrundlage eingetreten. Die Mieterin habe deshalb eine Anpassung des Mietvertrages verlangen können. Dies sei der juristisch nicht versierten und anwaltlich nicht vertretenen Mieterin nicht bewusst gewesen, wohl aber der Vermieterin, die als eine am Markt langjährig tätige Bauunternehmerin von dem Interessenkonflikt zwischen künftigen Wohnungseigentümern und Gaststättenbetreibern gewusst habe. Deshalb sei davon auszugehen, dass die Vermieterin zum Zeitpunkt der Vereinbarung des Sonderkündigungsrechts bereits den Vorsatz gehabt habe, es auszuüben. Dieses Verhalten widerspreche den Grundsätzen von Treu und Glauben. Die vom Senat zugelassene Revision hatte Erfolg und führte zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Der BGH vertritt die Ansicht, dass die getroffenen Vereinbarungen (Sonderkündigungsrecht) und dessen Ausübung weder gegen § 242 BGB noch gegen § 138 I BGB verstoßen.

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts habe die Vermieterin der Mieterin nicht zugesichert, dass die über den Mieträumen gelegenen vier Stockwerke als Büroräume genutzt werden würden; es handele sich insoweit lediglich um eine gemeinsame Vorstellung der Parteien i. S. einer Geschäftsgrundlage. Das Berufungsgericht habe nicht verkannt, dass für die Berücksichtigung von Störungen der Geschäftsgrundlage grundsätzlich kein Raum ist, sobald es um Erwartungen und Umstände geht, die nach den vertraglichen Vereinbarungen in den Risikobereich einer der Parteien fallen.

Zu Unrecht meine das Berufungsgericht allerdings, bei der gemeinsamen Vorstellung der Parteien, die vier Stockwerke über den Mieträumen würden als Büroraum genutzt, handele es sich um ein von der Vermieterin übernommenes Risiko.

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats trägt bei der Gewerberaummiete grundsätzlich der Mieter das Verwendungsrisiko bezüglich der Mietsache. Dazu gehört vor allem das Risiko, mit dem Mietobjekt Gewinne erzielen zu können. Erfüllt sich die Gewinnerwartung des Mieters nicht, so verwirklicht sich damit ein typisches Risiko des gewerblichen Mieters. Danach fällt es in den Verantwortungsbereich des Mieters, als Unternehmer die Erfolgsaussichten eines Geschäfts in der gewählten Lage abzuschätzen. Das umfasst auch das Risiko einer Veränderung der Mietstruktur im Umfeld des Mietobjektes.

Die Leitsätze lauten wie folgt:
1. . …
2. Auch eine – hier vom Vermieter als Reaktion auf die Marktverhältnisse bewirkte – Veränderung der Mieterstruktur im Umfeld des Mietobjekts fällt unter das typischerweise vom gewerblichen Mieter zu tragende Verwendungsrisiko der Mietsache.
3. Soll diese typische Risikoverteilung abweichend geregelt werden, bedarf es einer hinreichend klaren Vereinbarung; eine lediglich übereinstimmende Vorstellung der Parteien über die Mieterstruktur im Umfeld des Mietobjekts (hier: Büroetagen) genügt ebenso wenig wie die Bezeichnung jener Etagen in einer dem streitigen Mietvertrag beigefügten Gesamtflächenzusammenstellung als „Büro.

Die Entscheidung ist dogmatisch sauber begründet und verteilt die vertraglichen Risiken sachgerecht in beiderlei Richtung.