Widersprüchliche Büro-Immobilienindizes – Irreführungsgefahr für Nichtspezialisten?

 Im Februar schwelgten viele Immobilienindizes in neuen Superlativen. Nach der MIPIM kamen uns Bedenken. Der Optimismus ist da, aber die Zahlen stimmen nicht. Dann kam vor 14 Tagen der „DIX 2010“ der IPD, der im 9. Jahr in Folge für Büros eine negative Wertänderungsrendite eines repräsentativen Immobilienbestandes institutioneller Investoren auswies. Die Fakten berichteten wir in der letzten Ausgabe. Beobachter reiben sich die Augen. Schließlich hatten Victor von JLL und auch BulwienGesa die positive Entwicklung der deutschen Büropreise im Februar dokumentiert. Handelsimmobilien erwiesen sich als Investitionsrenner und für Wohnen war empirica geradezu euphorisch. Unsere Fragen waren: Erklären methodische Unterschiede der Erfassung die drastischen Unterschiede auch im langfristigen Trend? Gibt es tatsächlich noch die Überhänge deutlicher Überbewertungen früherer Jahre, die langsam heruntergeschrieben werden? Sind die Researcher auf dem Holzpfad, bzw. fälscht Transaktionsinteresse die Realität? Sind die presserelevanten Maklermeldungen eventuell längst irreführend, da sie sich vom Durchschnittsmarkt entfernt haben? Oder unterscheiden sich tatsächlich Theorie der Immobilien-Kapitalwerte und Praxis der Bestandswertveränderung?

Im „DIX 2010“, in den Bewertungen gemeldeter Bestände institutioneller Portfolios eingehen (Durchschnitt 11 Mio. Euro pro Objekt, 4.300 Immobilien), sieht die Welt anders aus. Zwar hat nur der Büroindex bei einer Wertänderungsrendite von minus 1,8% kräftig nachgegeben, aber auch die anderen Segmente entsprachen in der Bestandsbewertung bei weitem nicht den Vorgaben der anderen Indices. Handel blieb im DIX konstant. Nur Wohnen weist eine positive Wertänderung um 1% aus.
Der DIX Total Return über alle analysierten Immobilienarten liegt wie schon berichtet bei 4,2%. Die Netto-Cash-Flow-Rendite erreicht dabei 5,1%, wobei eine negative Wertänderungsrendite von -0,9% berücksichtigt wird. Wir haben uns einmal die historischen Werte des DIX geben lassen. Dabei errechnet sich eine nominale Wertentwicklung der erfassten institutionellen Portfolios ohne Inflationsberücksichtigung auf nur noch 75,9% bei einem Start mit 100% in 1996. Berücksichtigt man den vorherigen Wertverfall zwischen 1993 und 1996 zwischen 10 und 15% ergibt sich nach IPD Berechnungen nur noch ein Wert von etwa 65%.

Das erklärt dann auch zum einen manche Zweifel am Wert der Bestände Offener Fonds, die wir 2003/2004 auch regelmäßig äußerten und zum anderen die regelmäßige Skandalberichterstattung der Publikumspresse zu geschlossenen Fonds. Den Offenen Fonds gab der internationale Investmentboom die Chance der Bereinigung, die auch genutzt wurde. Diese Chance hatten geschlossen Fonds oft nicht. Ein typischer geschlossener Fonds des Booms bis Mitte der 90er hat bei normaler Wertentwicklung der Immobilie nach IPD Index – bei BulwienGesa und auch bei Jones Lang LaSalle-Betrachtungen sieht das langfristig auch nicht viel anders aus – heute nur noch einen Wert des eingesetzten Eigenkapitals von 10 bis 20% zzügl. Tilgung und Liquiditätsreserve abzgl. Sanierungsbedarf. Das errechnet sich bei 20% weichen Kosten und hälftiger Innenfinanzierung. Immobiliengehirne der kurzen Zeitreihen finden deshalb in den Publikumsmedien regelmäßig Grund für Skandalberichterstattung.

Seit 2004 trennen sich die Ergebnisse der Researcher. Hier ermittelt BulwienGesa sowohl für Wohnen als auch für Gewerbe eine positive Wertentwicklung bzw. Indexentwicklung von rd. 8%, während der DIX gerade einmal eine Abflachung der jährlichen Wertverluste ermittelt. Blickt man parallel noch auf den im Februar veröffentlichten Indikator „Victor Prime Office 2010“ von Jones Lang LaSalle, so überrascht der Bericht für Bürospitzenlagen mit einem Anstieg im Jahresvergleich von 7,6%. Gegenüber dem Tiefststand von Ende 2004 ermittelt JLL ein Plus von 15%. Im gesamten Analysezeitraum von sieben Jahren des Victors ergibt sich ein Plus von 8,7%. Lediglich gegenüber dem Höchststand Mitte 2007 des internationalen Investorenbooms ermittelt JLL noch ein Minus von 11,7%. Die auf den ersten Blick naheliegende Feststellung, dass irgendjemand hier sportlich recherchiert, ist sicherlich unzutreffend. Bei allen Research-Häusern handelt es sich um Profis, die sicherlich methodisch sauber arbeiten.

Naturgemäß ergibt sich die Frage nach der Erklärung der unterschiedlichen Wahrnehmung. Wir haben in den vergangenen Jahren regelmäßig darauf hingewiesen, dass die Marktmeldungen der renommierten Maklerhäuser, die sich grundsätzlich auf die Spitzensegmente des Marktes konzentrieren, zum einen seit der Jahrtausendwende an Repräsentativität verloren haben und zum anderen in ihrer Verwendung durchaus irreführend sein können. Dies wird sicherlich in der Gegenüberstellung der Marktdaten plausibel. Unterstellt man eine professionelle Erhebung der Marktdaten, so können die Unterschiede, die ja nicht nur absolut, sondern im Einzelfall durchaus auch im Trend liegen können, vor allem aus einer unterschiedlichen Datenbasis resultieren.

Der Index von Jones Lang LaSalle erfasst vor allem das nicht mehr repräsentative  Spitzensegment im Bürobereich der Metropolen, das in etwa 3 – 5% des Marktes erfasst. Seit dem vorletzten Zyklus um die Jahrtausendwende, in dem die sogenannte Professionalisierung und der Internetboom zu einer dramatischen Erhöhung des Angebotes führen, hat sich das Marktverhalten gewandelt. Während früher, von einem eher kleinen Bodensatz von vielleicht 20% nicht mehr marktfähiger Immobilien abgesehen, die Marktsegmente sich annähernd parallel von Überangebot zu Knappheit zu erneutem Überangebot zyklisch entwickelten, hat sich der Markt auf absehbare Zeit transformiert. In der Breite folgt eben nicht mehr Knappheit auf Überangebot, sondern lediglich graduelle Unterschiede eines in jeder Hinsicht ausreichenden Angebotes wechseln sich ab. Damit entfallen in der Breite des Marktes echte Knappheitsmieten. Lediglich im absoluten Spitzensegment, das durch gut vermietete Top-Lagen in den Metropolen in Neubauten oder total sanierten Objekten repräsentiert wird, ergeben sich bei oftmals großflächiger Nachfrage von Mietern, die in ihren Anforderungen unflexibel sind, noch Knappheiten. Dies erhöht die Volatilität der Marktsegmente. Berichterstatter in der Presse nehmen aber solche Aussagen relativ unkritisch auf und vermitteln in der Breite das Bild eines prosperierenden Marktes mit deutlichen Wertzuwächsen. Dies kann in Bezug auf Investitionsentscheidungen durchaus zu Irreführung führen.

Zudem werden regelmäßig die theoretischen Kapitalwerte, die aus Miethöhe und Multiplikator bzw. Rendite für die oben beschriebenen 1A-Objekte resultieren, für immer wieder gleichgelagerte Investitionsentscheidungen ermittelt. Die Entwicklung der einzelnen gekauften Objekte wird jedoch nicht analysiert. Mit zunehmenden Alter und Verkürzung der Restmietzeit verlieren auch erstklassige Immobilien an Wert. Die Situation des einzelnen Investors interessiert nicht. Erst wenn die Immobilie wieder revitalisiert und erneut vermietet ist, geht sie in den theoretischen Preisvergleich ein. Es ist evident, dass der einzelne Investor trotz Werterhöhung in der Endabrechnung deutliche Verluste eingefahren hat. Frankfurt ist voll von Landmarks mit katastrophalem Ergebnis. Viele Immobilien dürften bei Berücksichtigung der Revitalisierung heute nur um die Hälfte des Einstandes der frühen 90er wert sein.

Auch der Index von BulwienGesa vergleicht die Preise jeweils vergleichbarer Immobilien und nicht die Wertentwicklung spezifischer Immobilien. Ein Neubaubüro oder eine Neubauwohnung des Jahres 1975 wird mit einem jeweils vergleichbaren Neubau des Jahres 2010 verglichen. Auch hier kann die faktische Wertentwicklung deutlich abweichen. Die „Neue Heimat“ Neubauwohnung der 70er Jahre in peripherer Lage kann dabei durchaus das Schicksal eines gut in Schuss gehaltenen Käfers erleiden, dessen heutiger Gebrauchtpreis natürlich deutlich vom Neupreis des eigentlich vergleichbaren VW Polo abweicht.

Die Datenbasis des DIX der IPD resultiert dagegen aus der Entwicklung echter Immobilien. Die durchschnittliche Restmietvertragsdauer eines Portfolios liegt eben nicht bei dem Wunschwert von 10 Jahren sondern schwankt tendenziell eher um die Mitte von 5 Jahren. Expansive Investitionsphasen in neuvermietete Immobilien erhöhen vielleicht den Durchschnitt leicht, während schwächere Phasen mit oft zeitgleichen Trends zur Verkürzung der Mietvertragslaufzeiten die durchschnittliche Restmietdauer senken. Zudem kostet schon die Zweitvermietung einer guten Immobilie erhebliche Investitionen und erzielt oftmals auch nur geringere Mieten als ein vergleichbarer Neubauerstbezug.

Da der Verlauf der Kurven der drei Indizes ohne Blick auf die Werte durchaus ähnlich ist, stellt sich die Frage, ob der gewaltige Niveauunterschied zwischen einer seit annähernd 10 Jahren andauernden negativen Wertänderungsrendite bei dem DIX und der von den beiden
Crash-Jahren abgesehenen durchweg positiven Wertänderung beim Victor oder auch
BulwienGesa-Index erklärbar ist.

Während bei Victor oder Bulwien das Spiel der beobachteten Immobilien jedes Jahr neu beginnt, bezieht sich der DIX auf einen Bestand mit Historie. Dabei handelt es sich um einen im Durchschnitt voraussichtlich guten und gepflegten Bestand institutioneller Investoren. Die betrachteten Portfolios haben immerhin einen Durchschnittswert von 800 Mio. Euro. Insofern kann durchaus davon ausgegangen werden, dass der DIX-Bestand in deutlich besserem Durchschnittszustand ist, als der Gesamtbestand. Für volkswirtschaftliche Aussagen müsste sogar die DIX-Analyse noch relativiert werden.

Andererseits haben die Immobilien des DIX-Portfolios evtl. noch ein Beharrungsvermögen aus Zeiten guter Bewertung oder vielleicht auch relativ hoher Einkaufspreise in expansiven Phasen. Wir erinnern uns an die Diskussion über „Einwertungsgewinne“ und generelle Bewertungen von Immobilien der Offenen Fonds, die wir 2004 intensiv führten. Die Verkaufspreise der Boomjahre dürften dabei eine Reihe Offener Fonds vor härteren Einschnitten geschützt haben und zudem die Plausibilität aktueller Bewertungen erhöht haben.

Zudem steht die Wertermittlung deutscher Bewerter Offener Immobilienfonds und
wahrscheinlich anderer deutscher institutioneller Anleger unter dem Primat der Nachhaltigkeit. Dies soll hier an dieser Stelle keinesfalls kritisiert werden. In die Diskussion
zwischen angelsächsischen Bewertungsprinzipien und deutschen Bewertungsprinzipien wollen wir hier nicht eingreifen. Bei der Berücksichtigung rein zyklischer Elemente neigen wir sogar
zu der kontinuitätsbezogenen langfristigen Betrachtungsweise deutscher Bewerter. Wenn
allerdings eine Markttransformation wie seit Mitte der 90er Jahre eintritt, entpuppen sich
manche zunächst als zyklisch angenommene Entwicklungen durchaus als Entwicklungen, die Zyklen übergreifend sind.

Der Fairness halber müssen wir zugeben, dass trotz eigener annähernd 30-jähriger
Beobachtung des Marktes auch der Autor des Artikels bis etwa 2003 zur Feststellung
gebraucht hat, dass sich aus der zyklisch schwankenden, jedoch generellen Aufwärtsbewegung des Marktes bis 1993/94 eine nach unten gehende Treppe mit einer Wölbung im
Boom der Interneteuphorie ergeben hat.

Offen bleibt dabei die Frage, ob sich dieser Trend nach unten weiter fortsetzt, oder ob es eine einmalige Niveautransformation gegeben hat, die seit Mitte der Dekade wieder nach oben führt. Für beide Sichtweisen sprechen einige Argumente. Bei technologisch und demographisch abnehmendem Bedarf lässt sich z. B. für Büros durchaus eine kritische Haltung begründen. Umgekehrt steigt aber der Bedarf an neuwertigen Top-Immobilien. Gleichzeitig führt die Euro-Verunsicherung im Gefolge der Finanzkrise wieder zu einer positiven Betrachtung von Immobilien als Kapitalanlage generell. Dies könnte zu einer nachhaltigen positiven Entwicklung führen. Gleichzeitig ist ein Szenario vorstellbar, dass die realen Portfolios unter Berücksichtigung von Nachvermietungs- und Sanierungskosten, zu erzielenden höheren Renditen und evtl. niedrigeren Mieten faktisch an Wert verlieren, während die Research-Häuser immer noch deutliche Wertgewinne auf Basis der „Kapitalwerte“ ausweisen.

„Der Immobilienbrief“-Fazit: Die reine Berichterstattung über gemeldete Wertentwicklungen großer Research-Häuser ist heute nicht mehr zielführend. Speziell Makler-Berichterstattungen zum engen Segment der Top-Immobilien können durch Bildung falscher Entscheidungsgrundlagen durchaus irreführend sein. Und nach wie vor bleibt unsere Frage offen, woher bei
deutschen Top-Immobilien in den Metropolen bei einer Rendite nach Verwaltung und Instandhaltung von vielleicht 4 – 5% und fehlender durchschnittlicher Dynamik der Mieten eine
langfristige Wertentwicklungsperspektive des Haltens eines Bestandes kommen soll. Lediglich das „Reiten des Zyklus“ (riding the cycle) führt hier noch zu guten Renditen – wenn man es richtig gemacht hat. Die Betrachtung eines Langfrist-Investments, das nach spätestens 30 Jahren Sanierungskosten in etwa auf Neubauniveau erfordert, ist dagegen schwierig. Im Nullsummenspiel der Wertentwicklung ist darüber hinaus zu hinterfragen, was mit dem Gegenpart erfolgreichen Zyklenreitens geschieht. Hier zeigt die Erfahrung durchaus, dass deren Verluste im Bankensystem sozialisiert werden.