Wohnungsmarkt Hamburg – In keiner Metropole ist der Mangel größer

 

In keiner anderen deutschen Großstadt ist der Mietwohnungsmarkt so angespannt wie in Hamburg. 90.000 Wohnungen fehlen an der Elbe, mehr als in Berlin (Defizit 44.000), Stuttgart (31.400) und München (18.100), heißt es im ersten bundesweiten „WGH Marktbericht Deutschland“ (WGH = Wohn- und Geschäftshäuser), den die Gewerbeimmobiliensparte von Engel & Völkers vorgelegt hat. Der Erhebung liegen nach Angaben des Unternehmens Berechnungen des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung und des Statistischen Bundesamtes zugrunde. 

„Unsere Berechnungen sprechen zwar nur von einem aufgestauten Fehlbedarf von 30.000 Wohnungen“, sagte der SPD-Wohnungsexperte Andy Grote, dennoch beschreibe die traurige Spitzenstellung das politische Versagen der Vergangenheit und die Aufgabe der Zukunft. Der Hamburger Mieterverein bestätigte, dass Menschen mit kleinem Geldbeutel nur mit Glück in Hamburg eine Wohnung finden und forderte vom neuen Hamburger Senat Taten. Die Investoren müssten endlich so angespitzt werden, das sie mehr Wohnungen bauen, die Einkommensgrenzen für den Bezug von Sozialwohnungen müssten erhöht werden. Alles bekannt, wenn auch notwendige Rituale.

Der Mangel treibt die Mieten

Auch dem aktuellen Residential City Profile von Jones Lang LaSalle zufolge treibt der Mangel die Mieten in für Normalverdiener fast dramatische Dimensionen: Danach kommen die Angebotsmieten im Halbjahresvergleich auf ein Plus von 3%, gegenüber 2008 sind es 10%. Der gemittelte Angebotsmietpreis liegt bei 10,45 Euro pro Quadratmeter und Monat. Insbesondere die Bezirke Hamburg-Mitte (plus 6,3%), Altona (plus 5%) und Eimsbüttel (plus 3,5%) profitierten in der zweiten Jahreshälfte vom Mietpreisboom.

Neben den etablierten Stadtteilen bürgerlichen Wohnens um die Alster weisen die früher einmal preiswerten Szenestadtteile wie Ottensen, Schanzenviertel, Eimsbüttel oder St. Georg hohe Steigerungen auf. Eine Wohnung in gutem Zustand lässt sich hier unter 12 Euro pro Quadratmeter kaum noch finden. „Inzwischen findet sich für fast jede Mietwohnung in allen zentralen Stadtteilen unmittelbar Mieter, die höhere Mieten als vorher in Kauf nehmen“, schreibt Engel & Völkers. Günstig wohnen kann man noch in den etwas abseits gelegenen Bezirken südlich der Elbe wie Harburg oder Bergedorf im Südosten von Hamburg. Hier gibt es noch Wohnungen für unter 8 Euro, allerdings wollen die Hamburger hier traditionell eher ungern wohnen.

Überdurchschnittliche Mietsteigerungen weisen dem JLL-Bericht zufolge die älteren Baualtersklassen auf: Die Mieten der vor 1945 errichteten Wohnungen stiegen im 2. Halbjahr  2010 um 3,2 Prozent auf 11,40 Euro und kosteten damit einen Euro pro Quadratmeter mehr als die Durchschnittsmiete. Deshalb weichen Mieter zunehmend vom Altbau auf Wohnungen aus der Nachkriegszeit aus, da diese ein großes und mit durchschnittlich 9,25 Euro pro Quadratmeter günstigeres Angebot darstellen.

Die teuersten Wohnungen liegen mit 12,50 Euro im Schnitt in der jüngsten Baualtersklasse (2000 bis 2010). Kleine (unter 45 m²) und große Wohnungen (ab 90 m²) sind besonders teuer. Im Bezirk Hamburg-Nord, zu dem auch die gefragten Stadtteile östlich und nördlich der Alster zählen, erzielen kleine Wohnungen die höchsten Preise (12,75 Euro). Mieter müssen bei einem Umzug für große Wohnungen in Eimsbüttel, Hamburg-Mitte und Hamburg-Nord durchschnittlich mehr als 12,50 Euro bezahlen.

Die Spitzenmieten liegen in den Wasserlagen der HafenCity und direkt an der Alster mit bis zu 24 Euro pro Quadratmeter.

Hafencity und Überseequartier mit Extrempreisen

In den Neubaugebieten Hafencity und im Überseequartier zeigt sich die Entwicklung besonders deutlich und typisch für die Stadt. An sich geplant als attraktives Gebiet mit 5.800 Wohnungen für unterschiedliche Nutzer, werden nun extrem hohe Preise verlangt. Für durchschnittlich ausgestattete Mietwohnungen sind Quadratmeterpreise zwischen 14 und 19 Euro netto kalt normal. „Das Angebot ist interessant für Menschen, die eine Zweit- oder Drittwohnung suchen, der Mix stimmt einfach nicht“, sagt Stadtentwicklungsexperte Grote. „Der Grund, weshalb hier kaum Familien mit Kindern wohnen“.

Allerdings zeigt sich hier, dass sich trotz Wohnungsmangels doch nicht alles zu jedem Preis an den Mann bringen lässt. Die Vermietung verläuft äußerst schleppend, man sieht nicht nur leere Schaufenster und Büros, sondern auch Wohnungen. Nach dem HafenCity-Informationsblatt sind im eng bebauten, retortenhaft wirkenden Überseequartier von 360 bezugsfertigen Wohnungen 250 nicht vermietet. Hier sei völlig am Bedarf vorbei gebaut worden, sagt der Mieterverein. 

Im Städtevergleich belegt Hamburg nach Angaben von Engel & Völkers einen Spitzenplatz bei Neuvermietungen. Mit einem Mittelwert in guter Lage von 12,50 pro Quadratmeter liegt Hamburg nach München (14,25 Euro) auf Rang 2. Dahinter kommen Frankfurt (11,50 Euro), Heidelberg (11,25) und Düsseldorf (10,75).

In Relation zum Einkommen geben die Hamburger in Deutschland das meiste Geld für Wohnen aus. Hamburg ist das Bundesland mit der höchsten Wohnkaufkraft, sagt eine Studie von TTR Group und MB-Research. Mir einem Index von 116,3, also 16,3% über dem Bundesdurchschnitt, rangiert Hamburg mit deutlichem Abstand an erster Stelle aller 16 Bundesländer. Obwohl München unter Berücksichtigung der Landkreise an erster Stelle liegt, ist Wohnen dort in Relation zur Kaufkraft günstiger. 

Ende der Preisrallye nicht in Sicht

Ein Ende der Preisrallye ist derzeit nicht in Sicht, prognostiziert Roman Heidrich, Leiter Residential Valuation bei JLL Berlin. Hamburg profitiere von seinem attraktiven Arbeitsmarkt, guten Ausbildungsmöglichkeiten und seinem positiven Image.

Eine weiterhin zu geringe Neubaubautätigkeit in Verbindung mit einer wachsenden Bevölkerung und vor allem steigenden Haushaltszahlen treibt die Entwicklung. Der Anteil der Einpersonenhaushalte ist mit 50,6% einer der höchsten in einer deutschen Großstadt.  Hamburg ist mit 80% der Bevölkerung eine Mieterstadt, der durchschnittliche Leerstand im Geschosswohnungsbau beträgt sehr geringe 1,4%.

Der politische Diskurs läuft, der Kurs der neuen Regierung im Wohnungsbau liegt noch nicht offen. Dass Hamburgs neuer Wohnungsbaukoordinator Michael Sachs, langjähriger Vorstand von Hamburgs größter Wohnungsbaugesellschaft Saga/GWG als Staatsrat in die Stadtentwicklungsbehörde berufen wurde, wird als positives Signal gewertet. 

Weil die bisherigen, vollmundig angekündigten Senatsoffensiven zum Wohnungsneubau offensichtlich Fehlschläge waren, regen sich auch hier und da die Bürger. So ging Ende 2010 die Internet-Plattform www.leerdstandsmelder.de ins Netz, eine Plattform, um alle Leerstände in der Stadt zu sammeln. Inzwischen sind 325 Objekte gemeldet.