Wohnungsmarkt Hamburg: Boom im Luxussegment – bezahlbare Wohnungen fehlanzeige

Neuer Bürgermeister erklärt Wohnungsbau zum „Herzensanliegen“

 Die Situation auf dem Hamburger Wohnungsmarkt ist hinreichend beschrieben worden, wie  in fast allen wachstumsstarken Ballungsräumen ist sie angespannt. Auffallend ist die Vielzahl  der Studien, die sich dem Thema widmen, genauso wie die fast klassenkämpferischen Reaktionen selbst aus konservativen Kreisen auf den Boom im Luxussegment. So ist das Gängeviertel nach der erfolgreichen Besetzung durch Künstler und Stadtentwicklungskritiker zum Symbol für den Kampf gegen Investoren geworden.  Die Zuständigen in der Politik sehen sich einem wachsenden öffentlichen Druck ausgesetzt und rudern mit heftigen Schlägen gegen die Situation an.

Die jüngsten Berichte zum Hamburger Wohnungsmarkt amburger WQohnungsmarkt lieferten Jones LangLa Salle, die DG Hyp sowie die HSH Nordbank im Verbund mit dem Immobilienfinanzierer HCI Capital und dem Bauträger NCC Deutschland. Alle kommen bis auf kleine Abweichungen zum gleichen Ergebnis: Der Neubau reicht bei weitem nicht aus, der Leerstand ist spektakulär niedrig, Mieten und Kaufpreise steigen weiter an.

Ein exklusives Apartment in der Elbphilharmonie, eine Suite im Marco-Polo Tower oder eine Villenetage mit Alsterblick. Für Interessenten mit flexiblem Budget bietet der Hamburger Wohnungsmarkt jede Menge Alternativen. Hamburg hat sich unter den deutschen Metropolen zum Topstandort für Luxuswohnungen entwickelt. Dort sind sie mit durchschnittlich 9.040 Euro pro Quadratmeter  am teuersten, und ihr Anteil am gesamten Neubauvolumen bis 2013 ist mit elf Prozent am höchsten. Das hat BulwienGesa im Auftrag der Ralf Schmitz Wohnungsbaugesellschaft ermittelt. Sogar das teure München mit einem gewichteten Durchschnittspreis von 7.260 Euro wurde überflügelt.

Die hohe Anziehungskraft Hamburgs zeigt sich auf dem Wohnimmobilienmarkt an der hohen Nachfrage und niedrigen Vermietungsrisiken bei einer Leerstandsrate von 1,3 Prozent. Daran  werde sich trotz eines leichten Anstiegs des Zubaus nichts ändern, sagt Dirk Brandes von der HSH Nordbank. Denn gleichzeitig habe die Stadt das höchste Bevölkerungswachstum aller Bundesländer. Allein dadurch soll der Wohnungsbedarf bis 2025 im Vergleich zu heute um über 20 Prozent anwachsen.

Für alte Menschen mit durchschnittlicher Rente bedeute die Wohnungssituation eine Zukunft in Armut oder die Flucht aufs Land, sagte Matthias Voss von HCI Capital. Die Hansestadt biete für sie keinen bezahlbaren Wohnraum mehr, wenn sich der Trend nicht umkehre. Auch größere Familien fänden kaum noch passenden Wohnraum in der Stadt. Hamburg sei mit 80 Prozent der Bevölkerung eine Mieterstadt, davon seien 53 Prozent Single-Haushalte und 30 Prozent Zwei-Personen-Haushalte.

Auch die DG Hyp sieht aufgrund überdurchschnittlich wachsender Haushaltszahlen, weit darunter liegenden Neubauzahlen kombiniert mit wachsenden Einkommen weitere spürbare Mietsteigerungen für die Zukunft voraus, für 2010 und 2011 im Neubau von drei bis vier Prozent. Eine vergleichbare Entwicklung gibt es bei den Kaufpreisen, wo Hamburg laut JLL unter den untersuchten Großstädten den größten Preissprung zu verzeichnen hat. In allen Bezirken, mit Ausnahme von Harburg, haben die Researcher ein Plus errechnet. 

Der kürzlich vorgestellte neue Masterplan für die östliche Hafencity vom Kreuzfahrtterminal bis zu den Elbbrücken sieht 300 zusätzliche bezahlbare Wohnungen vor, der Büroneubau soll dafür zurückgefahren werden. Dadurch steigt die Zahl der Wohnungen in der gesamten  Hafencity von 5500 auf 5800. Jede dritte Wohnung solle für Familien reserviert werden, fordert Stadtentwicklungssenatorin Anja Hajduck von der GAL.

Die Revitalisierung ehemaliger Verkehrs- und Industrieflächen wie die HafenCity ist für die Schaffung von Wohnraum von großer Bedeutung“, so Andrew M. Groom, Leiter Valuation & Transaction Advisory von JLL Deutschland. Aber die Maßnahmen

reichten selten aus, um den wachsenden und sich verändernden Bedarf zu decken. Zudem

konzentrieren sich die Projekte häufig auf das gehobene Preissegment. Dass auch die Erweiterung der Hafencity zum „Reichen-Domizil“ wird, fürchtet sogar der Hamburger Zukunftsrat, eine Organisation der Wirtschaft aus der Hansestadt. Während einer Anhörung zum neuen Masterplan sagte ein Bewohner, dass viele vermögende Bewohner der Hafencity nur alle paar Monate für ein Wochenende in ihre Luxusapartments kämen. Aber die Tiefgaragen stünden voller Luxuskarossen.

 

Das Problem ist erkannt, die Politik steuert dagegen, zumindest verbal: Der Senat unter dem neuen Bürgermeister Christoph Ahlhaus hat die Wohnungsbautätigkeit nun zu einem Schwerpunkt der schwarz-grünen Koalition erklärt. Der Bürgermeister legte beim Wirtschaftsrat der CDU noch nach: Sein Herzensanliegen sei eine Wohnungsbauoffensive. Zielvorgabe sind 5000 bis 6000 Wohnungen im Jahr, und dieses nicht etwa am Stadtrand, sondern durch Verdichtung und Wiederbebauung auch in den attraktiven citynahen Stadtteilen. Eine Herkulesaufgabe, zumal im vergangenen Jahr nur etwa 3500 Wohnungen gebaut wurden. Derkulesaufgabe, enn das Defizit, das sich nach Expertenschätzungen mittlerweile auf 20.000 Wohnungen beläuft, wächst beständig an.

Das städtische Wohnungsunternehmen Saga/GWG hat im vergangenen Jahr gerade einmal 140 neue Wohnungen gebaut. Dafür wurden 4500 aus dem Bestand energetisch saniert. Nach politischem Druck aus dem Regierungslager wurde der Schalter umgelegt. Die Saga verkündete, bis 2015 rund 2000 neue Wohnungen zu bauen.

Die Ankündigungsrhetorik ist nichts Neues für Hamburg. 2006 gab es eine solche Offensive bereits. Die Ergebnisse waren sehr weit hinter den Ankündigungen zurückgeblieben. 

Eckard Pahlcke, Vorsitzender des Hamburger Mieterbundes, reicht die Ankündigung des Bürgermeisters nicht einmal aus. „Wir brauchen 8000 neue Wohnungen pro Jahr“, sagt Pahlcke.

Die Stadtentwicklungsbehörde hat insofern reagiert, dass das Meistbietverfahren für städtische Flächen relativiert wurde. Grundstücke gehen vermehrt wieder günstiger an genossenschaftliche und öffentliche Bauherren. Nach einem Vorschlag der Bürgerschaft, dem alle Fraktionen im Stadtentwicklungsausschuss zugestimmt haben, sollen Bauvorhaben mit mehr als 40 Wohnungen künftig einen Anteil von 20 bis 25 Prozent Sozialwohnungen erhalten. Auch städtische Grundstücke sollen zu 20 bis 30 Prozent an Bauvorhaben für Sozialwohnungen vergeben werden. „Wir müssen alles tun, um die Lage auf dem Wohnungsmarkt spürbar zu entspannen“, sagte der Stadtentwicklungspolitische Sprecher der GAL-Bürgerschaftsfraktion Horst Becker.

Hamburgs neuer Wohnungsbaukoordinator Michael Sachs findet auf jeden Fall ein Feld vor, das zu beackern sich lohnt. Der langjährige Vorstand der Saga/GWG ist angetreten, um die Bautätigkeit in Hamburg anzukurbeln und der drängenden Wohnungsknappheit abhelfen.  

Um den Spielraum für den Wohnungsneubau zu erweitern will die Stadtentwicklungsbehörde das Wohnen in der Innenstadt stärken. Die Behörde will den gesamten Innenstadtbereich, etwa 460 Hektar, in ein Kerngebiet umwandeln, das eine Mischnutzung aus Gewerbe und Wohnen vorsieht. Derzeit sind noch 40 Hektar innerhalb des Wallrings als Geschäftsgebiet ausgewiesen, Wohnen ist dort nicht erlaubt. Mit dem neuen Planungsrecht wäre es auch in der Innenstadt möglich, ein leer stehendes Bürohaus zu Wohnungen umzubauen. Ebenso wären dann Abriss und Neubau denkbar. Bislang geht das nur über ein kompliziertes  planungsrechtliches Umwidmungsverfahren. „Wir haben ein Potential, das wir nicht ausschöpfen“, sagte Michael Sachs. Er setzt große Hoffnung in das Vorhaben und spricht von einer Initialzündung, die mehr Investoren anlocken und ganz neue Wohnideen für die Innenstadt hervorbringen könne.  

Die Sozialdemokraten präsentierten wieder die Idee, den Druck auf Vermieter zu erhöhen. Mit einem Bürgerschaftsantrag wollen die Genossen eine Änderung des Hamburgischen Wohnraumschutzgesetzes erreichen, damit Wohnungsleerstand künftig „schneller, umfassender und effektiver“ bekämpft werden kann. Andy Grote, Stadtentwicklungspolitiker der SPD-Bürgerschaftsfraktion, schätzt, dass 2000 Wohnungen in Hamburg leer stünden. Laut Mieterverein werden bis zu 40.000 Wohnungen für Gewerbe wie Arztpraxen oder Kanzleien zweckentfremdet, was in ganz Hamburg bald ganz untersagt sein soll. In der Bürgerschaft, die sich des Themas bislang kaum angenommen hatte, stoßen die Vorschläge auf offene Ohren. „Eine Anzeigepflicht für die Eigentümer wäre als Erweiterung des Wohnraumschutzgesetzes absolut berechtigt“, meint Grote. „Immer mehr Menschen melden sich bei uns, um Leerstand anzumelden“, sagt Marc Meyer, Jurist beim Verein „Mieter helfen Mietern“.

 

Auch die Diskussion VB: „Mehr Wohnen, weniger Büro“ wird in letzter Zeit wieder geführt. Es werde, so die DGHyp wieder verstärkt über derartige Projekte diskutiert. Letztendlich

erweisen sich aber bei genauerer Analyse die meisten leerstehenden Bürogebäude aus technischen, rechtlichen und ökonomischen Gründen als nicht geeignet für eine Umwidmung. 

Not macht erfinderisch: Immobilienspezialisten und Architekten haben den wachsenden Markt der schwimmenden Häuser in Hamburg als neuen Trend identifiziert – Hausboote, zum Mieten und kaufen. Amsterdam lässt grüßen. Schön, aber sicher nur eine Lösung für wenige.