IST DIE CHINESISCHE IMMOBILIENBLASE NUN GEPLATZT?

Gerichtsurteil aus Hongkong erklärt Baukonzern Evergrande für insolvent

Der weiße Elefant stand schon seit Jahren im Raum, mit dem aktuellen Gerichtsurteil aus Hongkong zur Auflösung der Gesellschaft muss nun aber endlich über ihn gesprochen werden.  Die Evergrande Group, vormals Hengda Group ist lt. Wikipedia das zweitgrößte Immobilienunternehmen in China und mit 300 Mrd. Dollar das höchstverschuldete Immobilienunternehmen der Welt. Die Gruppe mit Sitz in Shenzhen, wobei die Holdinggesellschaft jedoch auf den Cayman Islands eingetragen sein soll, verkauft und entwickelt Wohnungen für den neuen Mittelstand Chinas. Bereits Mitte 2021 geriet das Unternehmen durch eine hohe Verschuldung in Schieflage: Zum 30. Juni 2021 wies das Unternehmen Verbindlichkeiten in Höhe von umgerechnet rd. 252,1 Mrd. Euro aus. Infolgedessen kam es zu einem Kurseinbruch seiner Aktien. Am 17. August 2023 beantragte das Unternehmen in den USA Gläubigerschutz nach Artikel 15 des US-Insolvenzrechts, der Schuldenberg beträgt mittlerweile rd. 300 Mrd. Euro, was Evergrande zum am höchsten verschuldeten Immobilienunternehmen weltweit macht. Der Konzern hatte bis zuletzt vergeblich versucht, alle Beteiligten zu überzeugen, mehr Zeit zu bekommen, um seine Schulden zu begleichen. Jetzt ordnete ein Honkonger Gericht die Auflösung des Konzerns an. Weckt das Erinnerungen? (CW+)

Oder macht das Sorgen? Das chinesische Modell droht zu platzen. Die fehlende Unendlichkeit der chinesischen Leidensfähigkeit der Bevölkerung geriet schon zum Ende der Pandemie ins Visier der Regierenden. Jetzt steht das chinesische Mittelstands-Erfolgsmodell der Immobilieninvestments mit einer möglichen Pleite der Evergrande Group nach einem aktuellen Urteil auf dem Prüfstein. Für westliche Demokratien ist in China vieles schwer verständlich. Bedenken Sie: Über Generationen gab es in China keinerlei Konsumenten- und Kapitalanlegerschutz. Deshalb wurde gegen unser Verständnis der Überwachungsstaat begrüßt, denn er versprach Schutz und Sicherheit. Mit Corona kam die Unsicherheit. Die Unsicherheit setzt sich jetzt fort. Die Erfolgs-Ära könnte mit einer Pleite der Evergrande Group, dem mit 300 Mrd. US-Dollar höchst verschuldeten Immobilienkonzern der Welt – und das als Projektentwickler – implodieren.

Woher kam der Immobilienhype? Der neue chinesische Mittelstand mit um die 100 Millionen Bürgern ist von zwei Seiten unter Vorsorgedruck. Die Ausbildung der Kinder ist teuer und gesellschaftlich wichtig. Für die Pflege der Eltern muss gleichzeitig vorgesorgt werden. Immobilieninvestments boten hier lange Zeit eine rentable Vorsorgemöglichkeit. In den Boom-Jahren nach der Jahrtausendwende investierten viele Chinesen in Immobilien und Projektentwicklungen, weil sie sich mehr Stabilität als auf dem Aktienmarkt versprachen. Sie kennen das ja auch aus dem Deutschland der letzten 15 Jahre: „Immobilien können im Wert nicht fallen.“ Mit dem Beginn der Corona-Pandemie schwächelte die Wirtschaft. Die Chinesen halten jetzt ihr Geld zusammen. Bauträger bleiben auf Bauruinen sitzen. Wenn das chinesische Immobilien-Modell final platzten sollte – die Problemgemengelage zieht sich identisch durch die ganze chinesische Immobilienwirtschaft – und einen Dominoeffekt auslöst, könnten die monetären internationalen Verflechtungen zum kleineren Problem werden. Die Geschichte zeigt, dass innenpolitischen Problemen am besten mit außenpolitischen Erfolgen entgegengewirkt werden kann. Ein Erfolgszwang in Taiwan könnte den Westen teurer zu stehen kommen als die Gefahr einer Finanzkrise. Die sehen die meisten Beobachter zunächst nicht.

Evergrande kann aber gegen das Urteil in Berufung gehen. Bis zu einer Entscheidung wird der Abwicklungsprozess allerdings erst einmal eingeleitet.

Nun hat es der Hongkonger Richterin Linda Chan gereicht.  Inmitten der chinesischen Immobilienkrise folgte die Hongkonger Richterin Linda Chan dem Antrag der Gläubiger zur Auflösung des hochverschuldeten Konzerns. Evergrande ist an der Hongkonger Börse gelistet. Die Anhörung habe nun eineinhalb Jahre gedauert, und die Firma sei immer noch nicht fähig, einen konkreten Vorschlag für eine Restrukturierung vorzubringen, sagte Chan, wie die „South China Morning Post“ berichtete. Die internationalen Gläubiger der im Verfahren verhandelten Schulden von etwa 23 Mrd. US-Dollar lehnten die Konzern-Vorschläge zur Umstrukturierung mehrmals ab. Evergrande kann gegen das Urteil in Berufung gehen. Bis zu einer Entscheidung wird der Abwicklungsprozess allerdings erst einmal eingeleitet. Ob das Urteil auch in Festlandchina vollstreckt wird, ist noch unklar. Die meisten Beobachter gehen, wie auch „Der Immobilienbrief“ von einer Stützung durch die chinesische Regierung aus.

An der Hongkonger Börse brach das Papier der Evergrande Group am Montag nach dem Urteil ein. Nach einem Rutsch von über 20% in wenigen Minuten wurde der Handel der Aktie gestoppt. Die Abwicklung Evergrandes könnte nun auf den Märkten Wellen schlagen und das Vertrauen in den chinesischen Immobilienmarkt weiter schwächen. Ob und wie weit die Chinesische Regierung, die sich schon an der Stützung des Konzerns versuchte, bereit und willens ist, Evergrande zu retten, bleibt ebenfalls abzuwarten. Die Konsequenzen der Insolvenz wären für die Volksrepublik, für die Bauen in den letzten Jahren einer der wichtigsten Konjunkturtreiber war, womöglich einschneidend. Der Immobilienbereich macht lt. Chefökonomin Wang Dan von der Hang Seng Bank China gegenüber dpa zufolge mehr als 20% der chinesischen Wirtschaftsleistung aus. 2023 legte die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt nach offiziellen Zahlen um 5,2 Prozent zu. Simon Lee, Finanzanalyst und Evergrande-Experte von der Chinesischen Universität Hongkong schätzt bei der tageschau, dass die Auflösung von Evergrande China im laufenden Jahr 0,5% des Bruttoinlandsprodukts kosten könnte. Er geht wie viele andere Experten nicht davon aus, dass sich die Liquidierung von Evergrande auf die globalen Finanzmärkte auswirken wird wie die Finanzkrise 2008. Lt. dpa drohen auch den mehr als 4000 chinesischen Banken Probleme. Deren Geschäftsmodell ist eng mit den Immobilienmärkten oder Anleihen der Lokalregierungen verbunden. Wenn der Markt für Immobilien einbreche, erhöhe sich der Druck auf die Banken deutlich.