Deutschland schafft sich nicht ab, sondern baut sich neu. An der deutschen Umwelt soll die Welt genesen. Ist „Bad Deutschland“ das Ziel, in dem unsere Enkel reisehungrige Asiaten durch das größte Industrie-, Wohn- und Dienstleistungsmuseum der Welt führen? Nachdem wir alte Industrien wie die Stahlindustrie ebenso ins umweltflexible Ausland verjagt haben wie die Gentechnologie steht jetzt die Wohnungswirtschaft vor Gericht. Nullemission ist das Ziel. Kollateralschäden wie die faktische Enteignung der Sparleistung der halben Bevölkerung in Immobilien werden in Kauf genommen.
Sicherlich ist der 1.1.2050, der Stichtag für den angestrebten Nullemissionsstandard noch einige Jahre in der Zukunft. Wie aber auch im Fall der Regulierung der Fondsszene reicht allein das unüberlegte, laute Nachdenken für aktuelle Wertvernichtung im Bestand aus. Wer investiert in Wohnhäuser, die heute schon auf der Abrissliste stehen und deren möglicherweise zwischenzeitlich verordnete Sanierungskosten in keiner Relation zum Mietertrag stehen?
Über 60% des Wohnungsbestandes sollen nicht mehr sanierungsfähig sein und müssten abgerissen werden, ist die Botschaft einer neuen möglichen Abrissprämie für Wohnbauten. Betroffen von der wirtschaftlich notwendigen Abrissnotwendigkeit sind nach Recherche der Immobilien Zeitung beim BFW von den 39,9 Mio. Wohnungen in Deutschland auf jeden Fall die zwischen 1950 und 1978, also vor der ersten Wärmeschutzverordnung, errichteten Gebäude und auch die zwischen den Weltkriegen hochgezogenen Häuser. Zusammengerechnet stünden 20 bis 25 Mio. Einheiten vor dem wirtschaftlich notwendigen Abriss.
Interessanterweise sind das gerade die Wohnungen, die in den letzten Dekaden politisch
motiviert und gefördert als zukunftsichernde Altersvorsorge an die heutige „Generation
60+“ verkauft worden sind. Sanierungs-Kostenschätzungen für in der politischen Diskussion stehende Standards liegen im günstigsten Fall bei 600 Euro bis 1.000 Euro pro qm für
Geschosswohnungsbau und bis zu 1.250 Euro für freistehende Einfamilienhäuser. Das
übersteigt nicht nur den heutigen Immobilienwert, sondern auch den rechnerischen Kapitalwert, berechnet aus Miete und Rendite, oft deutlich. Gute Portfolios an guten Standorten
wechseln derzeit meist um die 700 Euro den Besitzer. Bei unter 5 Euro Miete für Hartz IV
Wohnungen einfachen Standards errechnet sich ein Wert von 600 bis 700 Euro. Die Bundesvereinigung Spitzenverbände der Immobilienwirtschaft (BSI) schätzt die gesamte Sanierungsaufgabe aus den im Energiekonzept empfohlenen Nachrüstverpflichtungen bei 750 Euro pro qm als Mittelwert und circa 3,5 Milliarden qm Wohnfläche bundesweit auf insgesamt 2,6 Billionen Euro allein im Wohnungsbereich. Der Wert aller deutschen Wohnbauten zusammen errechnet sich übrigens nach der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (Quelle IW-Studie 2009) auf knapp 3,9 Billionen Euro.
Die ökonomische Sinnhaftigkeit energetischer Sanierung ohne generelle ergänzende Sanierungsnotwendigkeit haben wir schon mehrfach diskutiert. Unbestritten ist, dass im Neubau und bei anstehender „Sowieso-Sanierung“ nach neuesten Erkenntnissen vorgegangen werden sollte. Bei rein energetisch motivierter Sanierung stehen aus wirtschaftlicher Sicht vor dem Hintergrund, dass die durchschnittlichen Wohnungs-Heizkosten in etwa bei 1,10 Euro/qm/Monat liegen, die in etwa halbiert werden könnten, knapp 7 Euro pro Jahr für die Amortisation der Investition zur Verfügung. Das deckt ohne Förderung vielleicht 100 Euro Investment,
während die realen Sanierungskosten sich erst bei Mieterhöhungen zwischen 5 und
10 Euro rechnen würden.
Gerade in einfachen und eher kleineren Wohnungen mit multikulturellem Migrations-Hintergrund speziell aus wärmeren Regionen oder aus Planwirtschaften dürfte eine Verbesserung der Isolierung nicht zu Verhaltensänderungen und damit nicht zu gewünschten Einsparungen führen. Mieterhöhungen im wirtschaftlich notwendigen Bereich sind illusorisch. Wenn die Energiekosten tatsächlich soweit gestiegen sind, dass sich die Investitionen annähernd rechnen würden, sind die durchgeführten Investments längst nicht mehr Stand der Technik. Und wie die gesamtwirtschaftliche Energiebilanz unter Berücksichtigung des Energieverbrauchs für Material und Sanierung aussieht, könnte auch noch untersucht werden.
Blicken wir jetzt auf die aktuelle Situation. Die Bundesregierung hat die Vision, alle Gebäude, die zugegebenermaßen für fast die Hälfte der Emission verantwortlich sind, bis 2050 auf einen CO2-freien Verbrauch umzustellen. Inzwischen ist eine freidemokratisch, jugendlich, sportlich und weltfremd propagierte „Abrissprämie“ im politischen Gespräch. Im Umfeld der Haushaltsdebatte wurde eine Kehrtwende der Regierung bei den Fördermitteln zur Gebäudesanierung angekündigt. Das CO2-Sanierungsprogramm könne bis auf drei Milliarden Euro im Jahr aufgestockt werden, berichtete die BILD.
Ob das Bau- und Finanzminister schon wissen, ist offen. Bislang ist allerdings noch eine Kürzung auf 436 Millionen Euro vorgesehen. In die Debatte geworfen wurde in den vergangenen Tagen unter anderem auch, das CO2-Gebäudesanierungsprogramm für Ersatzneubauten zu öffnen („Abwrackprämie für Wohnbauten“). Das sei günstiger, „als ältere Häuser zu Tode zu dämmen“, hieß es lt. DPA aus Koalitionskreisen. Eine Überschlagsrechnung ergibt, dass der Barwert einer 1000jährigen Förderung bei 3%-Abzinsungsfaktur und 3 Mrd. Jahresförderung bei 100 Mrd. liegt. Da die Immobilienbesitzer sowieso einen Großteil der Steuern zahlen, ist es aber eigentlich egal, ob von den notwendigen 2,6 Billionen Euro der
Eigentümer 2,5 Billionen zahlt und mit 100 Mrd. gefördert wird oder ob man auf den
Rückverteilungsprozess verzichtet. Wahrlich, eine Jahrtausendaufgabe. Im Übrigen ist zu
hinterfragen, ob nicht der Sinn einer energetischen Förderung im Anstoßen neuer wirtschaftlicher Energien, wie z. B. bei Solar oder Windkraft liegt und nicht in dem ökonomisch
sinnlosen Verbauen von Steuermitteln.
„Der Immobilienbrief“-Fazit: Nach 30 Jahren Beschäftigung mit Immobilien und einer durchweg positiven Sichtweise stellt sich sowohl aus Markt- wie auch aus Politikgesichtspunkten die Frage nach einer Lebenslüge in Bezug auf Immobilien-Altersvorsorge. Betrachtet man die Immobilien-Kapitalanlageargumentation der vergangenen 30 Jahre und vergleicht sie mit heutigen volkswirtschaftlichen Erkenntnissen, so stellt sich durchaus die Frage nach einer Immobilienlüge der kapitalanlageorientierten Immobilienwirtschaft und auch der Politik, die auf der einen Seite Wohneigentum als sichere Altersvorsorge propagiert und auf der anderen Seite in energetischem Populismus die über Jahrzehnte gesparten Vermögen abschafft. Einen Inflationsschutz bei Immobilien gibt es seit ca. 1993 nicht mehr. Wohnen konnte sich Bundesdurchschnitt noch in etwa nominal halten und Gewerbe stürzte im Index dramatisch ab. Den Trend brechen auch eine Handvoll Ausnahme-Metropolen-Standorte nicht.