Alle lieben Core! – Und der Investmentmarkt boomt wieder

 

Dr. Thomas Beyerle, Head of Global Research, Aberdeen Immobilien KAG

Nachdem der Transaktionsmarkt in den vergangenen zwei Jahren von zahlreichen Turbulenzen und nahezu von Stillstand geprägt war, ist gegenwärtig eine spürbare Belebung des Transaktionsgeschäftes zu verzeichnen. Aus dem Blickwinkel des 1. Quartals 2009 ist es gar eine stetig steigende Linie. Das ist eine gute Botschaft. Gleichwohl reibt man sich verwundert die Augen ob des kollektiven Bekenntnisses zu Core Investments.

Auf den ersten Blick mag das plausibel klingen, denn das Gespür für Risiko hatte die
meisten Akteure am Markt spätestens 2008 verlassen. Als Reaktion haben mittlerweile
etliche institutionelle Investoren ihre Anlagestrategie auf ein möglichst risikoarmes Investment ausgerichtet. Nach dieser als „sicherheitsorientiert“ bezeichneten Strategie werden, wie
aktuell aus zahlreichen Pressemitteilungen vermehrt zu entnehmen ist, als
Investitionsobjekte Immobilien in exklusiven Metropolinnenstadtlagen mit Mietern bester
Bonität mit lang laufenden Verträgen präferiert.

Oder anders formuliert: Der starke Wettbewerb konzentriert sich auf Objekte modernsten Standards in prominenter Lage mit einer erstklassigen Ausstattung, für welche sehr bonitätsstarke Mieter einen langfristigen Mietvertrag abgeschlossen haben. Abweichungen von der Core Definition führen zu entsprechenden Renditeaufschlägen. Es scheint folglich geradezu hip zu sein sich auf Core Immobilienmärkte, Core Immobilienobjekte und Core Mieter zu konzentrieren.

Spätestens hier wird dem geübten Betrachter aber klar, dass der Wettbewerb um Core Objekte eher einem Kampf ähnelt denn einer Verteilung eines überschüssigen Angebots. Nach unseren klassischen Abgrenzungen handelt es sich dabei um ein vergleichsweise kleines Marktsegment, welches rund 10 Prozent des Gesamtinvestmentmarktes in Deutschland ausmacht. Da taucht natürlich auch selbstkritisch die Frage auf, was denn nun mehr genau Core in seinen Ausprägungen eigentlich ist?

Versucht man sich dem Begriffen zu nähern, wird eines schnell klar: obwohl der Kern des Begriffs für jedermann als „das langfristig Stabile und Beste“ populärwissenschaftlich erfassbar ist und sich innerhalb der Immobilienbranche eine breite Masse an Akteuren darin offensichtlich tummelt – eine eindeutige Abgrenzung gar Definition existiert nicht. Schließlich vereint der Begriff eine räumliche, zeitliche und objektspezifische Dimension. Da „explodiert“ das Entscheidungsbäumchen bzw. die Erklärungsmöglichkeiten geradezu.

Vielleicht ist dies aber auch gut so, denn allein der Vergleich der Investitionen unter dem publizierten Label „Core“ der letzten Wochen liefert zum Teil kuriose wenn nicht gar fragwürdige Ergebnisse. Ist ein „Core Investment“ in Frankfurter Bürobankenlage welches demnächst saniert wird, das gleiche „Core“ wie in der Rosenheimer Innenstadt ein Neubau? Ist ein Neubau Bürogebäude in Berlin Adlershof mit Vollvermietung das Gleiche wie ein zu 70% leerstehendes Bestandsgebäude Unter den Linden? Ist die Agentur für Arbeit mit 15 Jahren Laufzeit ein sicherer „Core“ Mieter als ein Mietvertrag einer 5+5 Option eines bekannten IT Unternehmens? (Anm. „Der Immobilienbrief“: Einzelhandelsinvestoren definieren wie UG Hahn „Core“ z. B. nur als langfristig sicheren Cash Flow z. B. durch einen Fachmarkt) Mehr Fragen als Antworten tauchen auf. Was manche vielleicht als Haarspalterei abtun, da es ja bisher auch keinen interessiert hat, erfährt seine dramatische Komponente beim Blick auf den Kapitalmarkt.

Was Researcher denn auch mit Sorgenfalten auf der Stirn feststellen, ist, dass es in
dieser epidemischen Core Fokussierung und den Milliarden Euro an allokiertem und angekündigtem Kapital auf keinen Fall genügend Objekte bzw. Portfolien geben kann – geographisch, objekt- und mieterspezifisch begründet. Insofern hat diese vermeintliche drohende
Gemengelage insgesamt auch etwas Positives: Wollen die eingesammelten Gelder zielgerichtet investiert werden, werden sich alsbald Überschwappeffekte des Investmentkapitals
einstellen – also ein bisschen mehr in „value add“ gehen. Mit anderen Worten, Investoren
werden sich dann in neue Geographien vorwagen, in bisher vernachlässigte Teilmärkte
oder gar in Mieterbonitäten abseits des AAA.

Als Begründungen werden dann spätestens Ende 2011 angeführt werden: „Die Core
Objekte sind mittlerweile zu teuer geworden“, „Wir wollen uns dem Wettbewerb in einer irrationalen Preisbieterschlacht nicht stellen“ oder „Der Markt ist praktisch leergefegt“. Erste
Statements in Sachen Marktenge im Core Bereich werden schon in den kommenden Monaten folgen. Wenig besser wird es mit den Abgrenzungen wenn man von der Einzelobjektebene
auf die Portfolioebene geht. Grundsätzlich wird der Begriff Core durch die Strukturierung
des Immobilienportfolios bestimmt, wobei die Analyse der Faktoren wie u.a. Standort,
Lage, Nutzungsart, Alter, Größe und Zustand der Objekte, Mietverhältnis und die Analyse des Mieters zu variablen Ergebnissen führen.

Traditionell wird hier in vier Risikoklassen bzw. Anlagestrategien unterschieden: Core,
Core plus, Value Added und opportunistisch. Demnach variieren je nach Anlagestrategie
die Kriterien Risiko-/Return-Spektrum, Objektqualität, Laufzeit der Mietverträge, Stabilität
der Märkte, Markttransparenz, Position im Immobilienzyklus und Haltedauer nach
Quantität beziehungsweise Qualität.

Bei einem Vergleich der Core Definitionen fällt auf, dass nicht bei jedem Investor alle
Kriterien in der Formulierung seiner Strategie Anwendung finden. So definiert z.B. die INREV einen Core-Fonds mit dem Ziel einer jährlichen Rendite von bis zu 11,5%, wobei das
zugelassene Fremdkapital unter 60% des Gross Asset Value liegen muss. Die Haltedauer liegt nach Angaben von INREV in der Regel bei 5 bis 10 Jahren. Die Anlagen in solchen Fonds
sind durch eine stabile Rendite mit geringem Kapitalwachstum typisiert. BulwienGesa hingegen begrenzt die Renditeforderung der Core Risikoklasse auf 5 bis 8% bei einer Haltedauer
von über 10 Jahre und einem Fremdkapitaleinsatz von bis zu 30%. Des Weiteren
bestimmt die Strategie eine hohe Objektqualität mit dem primären Ziel der laufenden
Ausschüttung durch stabile Mieterträge.

Einige Fondsgesellschaften erweitern das Kriterienspektrum um die als sehr wichtig eingestuften Kriterien „Diversifikation“ und „Markttransparenz“ sowie um die weniger wichtigen Kriterien „Renditeziel“, „Immobilienzyklus“ und „Finanzierungslücken“. Trotz des aktuellen Runs auf Core Immobilien bleiben bei einem kritischen Blick auf den „Kern“ mehr Fragen offen als Antworten. Die gängigen Definitionen sind vorsichtig formuliert nicht falsch – doch sind sie damit auch richtig? „Immer weniger“ kann die Antwort lauten. Wenn indes in den bald wieder boomenden Märkten etwas Zeit bleibt für eine branchenübergreifende Lösung auf die einfache Frage: „Was ist Core“? wäre der Professionalisierung Vorschub geleistet. Mit der gif e.V. oder gar der INREV stünden zumindest zwei prominente Institutionen bereit, welche sich dieser Hausaufgabe annehmen sollten – weitere Freiwillige sind willkommen.