BNPPRE ANALYSE SIEHT WOHNUNGSUNTERDECKUNG BIS WEIT IN DIE 2030ER JAHRE

Die Zinswende brachte die Wohnungswende. Aktuell sieht das Investment-Zahlenwerk im BNPPRE Residential Report grausam aus und relativiert die in jeder Umfrage noch ganz oben stehende Investitionsabsicht in Wohnraum. Bundesweit wurden lt. BNPPRE im vergangenen Jahr 5,23 Mrd. Euro in größere Wohnungsbestande ab 30 Wohneinheiten investiert. Damit wurde der langjährige Durchschnitt um 72% unterschritten. Für „Der Immobilienbrief“ bleibt es seit einer Reihe von Jahren ein Rätsel, wieso immer mehr Investoren sich auf Wohnportfolios insbesondere auch unsanierter Bestände fokussierten. (WR+)

 Bereits bis ca. 2018 waren die Preise so stark gestiegenen, dass Wohnungsrenditen oft kaum noch den laufenden Aufwand unter Berücksichtigung etwaiger Sanierungsdrohungen rechneten. Wir fragten uns oft, was sich denn außer Zinsen geändert habe, seit sich in den 90ern bis weit in die 00er Jahre fast alle Institutionellen, Kommunen oder Unternehmen mangels Rechenbarkeit von ihren Wohnungsbeständen trennten. Management und Risiken waren weder günstiger noch einfacher geworden. Juristische Risiken, Mietausfallrisiken und Verwaltungsaufwand straften jede Kalkulation mit roten Zahlen. Wir wiesen zur Jahrtausendwende oft auf die Chancen damals noch unterbewerteter Bestände und positiver Entwicklungen auch im Fondsbereich hin. Wir erhielten immer nur zur Antwort: „Es rechnet sich nicht. Marktadäquate Ausschüttungen sind nicht darstellbar.“ Nach der Finanzkrise entwickelte sich die Renaissance der Immobilie als Kapitalanlage. Die Preise explodierten – und schon hypten Investments, obwohl sich argumentativ nichts änderte außer der durch sinkende Zinsen verursachten Wertsteigerungserwartung.  Null-Zinsen, Nachfrage und die Hoffnung auf Bewertungsänderungen bis zu negativen Renditen nach Instandhaltung und Verwaltung beflügelten den Markt. Das Handwerker-Problem sprengte für kleinere Portfolien ohne eigene Kolonnen insbesondere auch durch den Mehrwertsteuer-Aspekt alle Kalkulationen. Dennoch blieb der Markt gegen den „Der Immobilienbrief“-Taschenrechner bullish.

Die offene Frage für „Der Immobilienbrief“ bleibt, ob die Zinswende lediglich eine neue Bewertungseinschätzung eingeleitet hat und Investoren lediglich auf stark sinkende Preise warten oder ob nun auch Marktnewcomer lernen mussten, das ältere Bestände kaum rechenbar sind. Profi-Erfahrungen von Investoren der 90er Jahre zeigten schon deutliche Rechenschwierigkeiten bei der 15-fachen Jahresmiete auf. 11 bis 13-fach war eher die Regel. Zwei Jahresmieten wurden dann ab Mitte der 00er Jahre für die Portfoliozusammenstellung draufgelegt, damit die Volumina für Investoren passten. Das wird aus den Kaufpreismultiplikatoren der prominenten Nullerjahre-Portfolien deutlich, die Morgan Stanley damals zusammenstellte (vgl. auch „Der Immobilienbrief“ Nr. 548 mit Vonovia-Analyse).  Aktuell bleibt für „Der Immobilienbrief“ lediglich unklar, ob sich der Markt NUR im Bewertungsniveau ändert. Die Chance auf eine kurzfristige Rückkehr der Portfoliomultiplikatoren besteht ohne Nullzinswende NICHT. Oder ob sich die Investoren-Stimmung mit Blick auf den Taschenrechner länger zurückdrehen wird. Lt. BNPPRE Report sind in Q4 2023 die Netto-Spitzenrenditen für Neubauobjekte weiter angezogen et vice versa die Multiplikatoren zurückgegangen. Für München nennt BNPPRE Höchstmultiplikatoren in Höhe der 25-fachen Nettojahresmiete, für Berlin 24,5-fach, für Stuttgart und Frankfurt 24-fach, für Düsseldorf 23-fach und Köln die 22-fache Jahresmiete (Chart siehe nächste Seite). Was das – und auch die Vergleichszahlen früherer Portfoliodeals – für Bewertungen in Portfolien bedeutet, macht der Blick in AG-Bilanzen deutlich, die sicherlich nicht zu den dümmsten Einkäufern gehörten. Hier sind zum Jahreswechsel 2022 auf 2023 noch die 29-fache (vgl. „Der Immobilienbrief“ Nr. 548) oder auch 25fache Jahresmiete für zu 75% unsanierte alte Werkswohnungsbestände zu finden gewesen. Bislang dürften davon noch kaum 10% abgewertet sein. Wir sind auf die nächsten Bilanzen gespannt. PREA und auch der F+B-Gründer Bernd Leutner gehen von weiteren spürbaren Preissenkungen für Bestandswohnungen aus.

Allerdings hat sich seit Beginn des Ukraine-Krieges die Nachfragesituation geändert. Auf der positiven Seite ist jetzt unbestritten, dass der Neubau weiter zurückgeht, dass notwendiger günstiger Wohnraum kaum noch zu bauen ist und dass die Nachfrage zumindest bis zur Klärung der Zuwanderung eher zunehmen wird. Grenzen setzt die Mietbelastbarkeit. Daraus ergibt sich für den privaten Wohnungsbau unterhalb des gehobenen Segmentes eine Quadratur des Kreises.

Der BNPPRE Residential Report macht die Wirkung der aktuellen Gemengelage aus stark verteuerten Fremdkapitalkosten und dem Baukosten-Preisschock im Neubau deutlich. Bis mindestens 2027 bleibe der Wohnungsbau absehbar schwach. Für 2023 sei mit einem deutlichen Rückgang der Baugenehmigungen und Fertigstellungen in der Größenordnung von rund 260.000 genehmigten und rund 240.000 fertiggestellten Wohneinheiten zu rechnen. 2024 erwartet BNPPRE nur noch 200.000 Wohneinheiten, womit die Marke von 150.000 Fertigstellungen, die „Der Immobilienbrief“ im Herbst 2022 in die Diskussion brachte, näher rückt. BNPPRE erwartet noch 160.000 Fertigstellungen für 2026. Ein kompletter Ausgleich der Neubaulücke dürfte damit in den 2020er Jahren und auch in den 2030er Jahren kaum realisierbar sein, so BNPPRE. Für „Der Immobilienbrief“ bleibt aber wie immer offen, was ein ausgeglichener Markt ist, bzw. ob es ein Menschenrecht auf preisgünstiges Wohnen am gewünschten Topstandort gibt. (Anmerkung: Brandaktuell ging laut Statistischem Bundesamt die Zahl genehmigter Wohnungen 2023 gegenüber dem Vorjahr um 94.100 auf nun 260.100 Wohnungen – den tiefsten Stand seit 2012 – zurück.)

Die schwache Investmentstimmung schlägt sich auch im niedrigen Investmentvolumen bei Projektentwicklungen mit nur noch rund 1 Mrd. Euro nieder. Die A-Städte kommen auf einen deutlich überdurchschnittlichen Anteil von knapp 59% bei einem 10-Jahresdurchschnitt von 45%. Berlin zeichnet mit einem Umsatz von 1,81 Mrd. Euro für 35% des Gesamtvolumens verantwortlich. Mit 716 Mio. Euro 14% kommt München auf den zweithöchsten Umsatzanteil. ■