Immobilien, Steuern und Forderungen an die neue Bundesregierung

Wohnpolitik in den Wahlprogrammen der Parteien zur Bundestagswahl 2021

Univ. Prof. Dr. Karl-Georg Loritz, Bayreuth – Rechtsanwalt und Steuerberater

München: Immobilien sind die Visitenkarte eines Landes. Sie umgeben uns bei der Ankunft am Flughafen oder Bahnhof, bei der Fahrt durch die Städte und bei jedem Schritt im privaten und beruflichen Alltag. Immobilien bestimmen maßgeblich die Lebensqualität. An Ihnen erkennen wir sofort den Charakter der Stadt und des Landes: Wohlstand oder Verfall oder gar Armut. Dennoch genießen die Immobilien und ihre Eigentümer seit langem den Argwohn statt das Wohlwollen des deutschen Steuerpolitik. Die letzte deutliche steuerliche Begünstigung erfolgte zum Wiederaufbau der neuen Bundesländer einschließlich (Gesamt-)Berlins von 1991 bis 1998 durch das Fördergebietsgesetz.

Seit langem gelten in Deutschland niedrige Abschreibungssätze von nur 3% für Betriebsgebäude, von 2,5% für vor 1925 und 2% für ab da errichtete Wohngebäude. Bereits zum 1.1.1994 wurden die erhöhten AfA-Sätze von 10% für Betriebsgebäude abgeschafft. Nur für Gebäude in Sanierungsgebieten und Baudenkmäler gibt es noch erhöhte Abschreibungsmöglichkeiten; die Mehrkosten werden dadurch bei Weitem nicht aufgefangen.

Der Gesetzgeber hat seine ganze Energie auf massive Steuererhöhungen für Immobilieneigentümer konzentriert. Die Rechtsprechung hat – mit wohlgefälliger Billigung der Politiker – den von ihr erfundenen gewerblichen Immobilienhandel seit Jahrzehnten massiv ausgeweitet, fern jeder Realität: Wer mehr als 3 Immobilien innerhalb von 5 Jahren erwirbt und wieder veräußert, wird vom Privatinvestor zum gewerblichen Immobilienhändler. Entwicklung und zeitnaher Verkauf eines auch nur kleinen Gewerbeobjekt kann schon diese Gewerblichkeit auslösen. Vergleichbares gibt es weder bei Autos noch bei wertvollen Kunstgegenständen und nicht einmal bei laufenden, großvolumigen Wertpapiertransaktionen. Die Frist für die Steuerfreiheit privater Veräußerungsgewinne wurde von 2 auf 10 Jahre verlängert. Eine Begünstigung des Ehegatten/Lebenspartners und der Kinder im Schenkungs-/Erbfall ist an enge Voraussetzungen und – außer z.B. bei Pflegbedürftigkeit – an eine 10-jährige Eigennutzung geknüpft. Mietwohnungen werden im Schenkungs- und Erbfall nur in Höhe von 10% ihres Wertes von der Schenkung-/Erbschaftsteuer verschont. Bei der anstehenden Neufestsetzung der Grundsteuer ist in vielen Ländern und Gemeinden mit einer durchaus deutlichen Erhöhung auch bei Eigentumswohnungen und Einfamilienhäusern zu rechnen.

Grundsteuer und Umsatzsteuer als Kostentreiber bei Neubauten, insbesondere beim Wohnungsneubau

Alle Bundesländer, außer Bayern, haben die Grunderwerbsteuersätze, für die sie seit 2006 zuständig sind, deutlich über die damaligen 3,5% angehoben. In 5 Ländern beträgt sie 6,5%. Dem Gesetzgeber hat alles noch nicht gereicht. Durch Gesetz vom 12. Mai 2021 fällt Grunderwerbsteuer beim Kauf von Gesellschaftsanteilen schon an, wenn mindestens 90% – bis dahin waren es 95% – der Anteile den Inhaber wechseln. Die Haltedauer wurde auf 10 Jahre verlängert. Bei Wohnbauobjekten müssen mitunter der sich die Grundstücke durch Option sichernde Entwickler, im nächsten Schritt der Bauträger und dann nochmals der Enderwerber Grunderwerbsteuer bezahlen. Kommen Maklergebühren hinzu, erhöht allein die solcherart mehrfach angefallene Grunderwerbsteuer die Kosten des Wohnungskäufers um z.T. weit über 15 %. Das macht bei den in vielen Regionen horrenden Grundstückspreise und den allgemein sehr hohen Baukosten den Erwerb des Eigenheims für weite Bevölkerungskreise unerschwinglich.

Schließlich fällt für alle Entwickler-, Architekten- und Bauleistungen 19% Umsatzsteuer an. Diese kann im Wohnungsbau, auch bei gewerblicher Vermietung, nicht als Vorsteuer abgezogen werden. Damit belastet muss sie auf die Verkaufspreise und Mieten umgelegt werden. Sie belastet also wirtschaftlich die Erwerber und mittelbar auch die Mieter.

Die Immobilienwirtschaft muss meines Erachtens klare Forderungen an eine neue Bunderegierung richten:

  • Der Anteil der Deutschen, die sich Wohnen in der eigenen Immobilie leisten können, ist mit nur 42% der zweitniedrigste im OECD-Raum. Er muss deutlich steigen.
  • Die beste Entlastung der Bürger von immer noch steigenden Mieten und des Mietwohnungsmarktes ist das Wohnen in den eigenen vier Wänden. Das muss eine neue Bunderegierung endlich als wichtiges Ziel anerkennen.
  • Der mehrfache Anfall der Grunderwerbsteuer bei Neubauobjekten muss fallen, zumindest im Wohnungsbau und bei „Sozialobjekten“ wie Alten- und Pflegeheime. Sie muss generell bei der eigengenutzten Immobilie deutlich sinken. 2% wie früher und bei einkommensschwachen Käufer ein Wegfall, sind richtig.
  • Für vermietetes Wohneigentum muss es deutlich höhere AfA-Sätze von mindestens 5% p.a. und für selbstgenutztes einen entsprechenden Sonderausgabenabzug geben; zumindest in den ersten 10 Jahren als „Anschubhilfe“.
  • An allen Maßnahmen, die dem Umwelt- und Klimaschutz dienen, muss sich der Staat steuerlich beteiligen. Mein Vorschlag. Die Hälfte der Last trägt der Staat, die andere der Bürger. Nur seine eigene Belastung hält die Politiker von weiteren überzogenen Übertreibungen ab.
  • Grundschuldzinsen müssen bei Eigennutzung steuerlich als Sonderausgaben abzugsfähig sein.
  • Bei Vermietung von „bezahlbarem“ Wohnraum muss die Umsatzsteuer auf Bauleistungen abzugsfähig sein; Deutschland muss auf eine diesbezügliche Änderung des EU-Rechts hinwirken.

Auch für die neue Bundesregierung gilt:

  • Mit der sozialistischen Mottenkiste entnommenen Strangulierungen der Vermieter wie Mietendeckel, werden Investitionen in Neubau und Bestand verhindert.
  • Durch staatlichen Wohnungserwerb wie in Berlin, entsteht keine einzige Wohnung neu; dadurch steigen nur die Staatsschulden. Diese werden schon jetzt Städte wie Berlin beim ersten Zinsanstieg erdrücken.
  • Ohne massive Neubauaktivitäten wird es vor allem für junge und für einkommensschwache Wohnungssuchende immer schwerer, bezahlbaren Wohnraum zu finden.
  • Je knapper bezahlbarer Wohnraum ist, umso geringer ist die Bereitschaft zum Wohnungswechsel, umso enger ist der Mietmarkt.
  • Steuerliche Erleichterungen sind nie das einzige Mittel, den Wohnungsbau zu beleben. Aber ohne Abbau der massiven steuerlichen Belastungen kann es nicht gelingen.
  • Die von der Politik gerne gesehene Nullzinspolitik der EZB entlastet den hoch verschuldeten Staat. Sie trieb immer mehr Anleger in Immobilien und führte zur heutigen größten „Blase“ aller Zeiten. Sie schließt längst sogar mittlere Einkommensgruppen vom Immobilienerwerb aus.
  • Die Parteien sollten von weiten Teilen ihrer Wahlprogramme abrücken und wenige, aber gezielte Marktwirtschaftliche Förderungen verwirklichen.