JLL-BÜROIMMOBILIENUHR SIEHT EUROPA ZUSAMMENRÜCKEN

Auf den ersten Blick sieht die JLL-Büroimmobilienuhr noch durchaus positiv aus. Der schnelle Betrachter sieht ein Zusammenrücken der europäischen Büromärkte in einer sich verlangsamenden Phase der positiven Entwicklung der Spitzenmieten. Klarer wird der positive Eindruck, der sich ja ausschließlich auf die Spitzenmieten der von New Work begünstigten, flexiblen Neubauflächen bezieht, in der JLL-Interpretation von Hela Hinrichs, Senior Director EMEA Research & Strategy: „Der Fokus liegt entweder auf dem Verkleinern von Büroflächen in hochwertigen, nachhaltigen und zentral gelegenen Gebäuden oder auf der Neuverhandlung bestehender Mietverträge zur Kostensenkung. In einigen Fällen zwingt die Knappheit von hochwertigen Büroräumen im Stadtzentrum Mieter dazu, Räume in alternativen Teilmärkten zu suchen“.

Mit Blick auf Paris sieht Hinrichs bestätigt, dass hybrides Arbeiten zu einem etablierten Bestandteil der Immobilienlandschaft werde und dass große Unternehmen ihre Flächen reduzieren. In Paris war z. B. das Segment großer Flächenvermietungen mit einem Rückgang der Transaktionen um 30% am stärksten betroffen. Lediglich bei Top-Büros, insbesondere bei Net-Zero-Carbon-Konzepten, sei durch das begrenzte Angebot noch mit hohen Mietsteigerungen zu rechnen. „Ältere Gebäude in Nebenlagen werden weiterhin mit den größten Herausforderungen konfrontiert sein, da ihre Marktgängigkeit zunehmend infrage gestellt wird“, warnt Hela Hinrichs explizit. Colliers sieht in einer anderen aktuellen Untersuchung dabei für Deutschland fast 70% der Büros der Top 7 von Veralterung bedroht. Die könnten zu „Stranded Assets“ werden. Aber selbst die positive Interpretation unterstellt, dass die alte „Der Immobilienbrief“ – Erfahrung, dass sich steigende Leerstände, lange Vermarktungsdauern und sinkende Mieten bei schwächeren Objekten in Verbindung mit steigenden Leerständen auf die Dauer auch bei Topvermietungen auswirkt, nicht mehr gilt. „Der Immobilienbrief“ erinnert sich noch an eine annähernde Halbierung der Spitzenmieten für Neubauten in Frankfurt in Verbindung mit hohen Leerständen in den 90er Jahren. Niedrige Alternativmieten und zunehmende Erfahrungen im Zusammenwirken von New Work und tradierten Verhaltensweisen älter werdender Büromitarbeiter könnten Arbitrageprozesse einleiten. Insofern ist bei der Interpretation der JLL-Immobilienuhr etwas Distanz zu wahren.

Der Vergleich mit der Immobilienuhr des Q1 2022, also dem letzten Quartal, das noch von Zinserhöhung und Ukraine-Krieg frei war, macht zudem deutlich, wieweit die europäischen Metropolen im Gefolge der Immobilienwende zusammengerückt sind. Während sich im Q1 2022 die europäischen Metropolen noch im positiven Halbzyklus unterschiedlich schnell steigender Mieten verteilten, ist jetzt der Gesamtmarkt kurz vor dem Höhepunkt angesiedelt.

Das aktuelle Zahlenwerk ist durch die Bank durchwachsen. Das Q2 2023 war lt. JLL von einer verhaltenen Büronachfrage geprägt. Mit knapp 2 Mio. qm lag der Umsatz um 27% unter dem Wert des Vorjahresquartals und war der schwächste seit dem Corona-Q3 2020. Im ersten Halbjahr 2023 lag der Flächenumsatz um 24% unter Vorjahr. Unternehmen zögern. Dennoch habe der europäische Büromietindex im Q2 mit +1,5% zum Vorquartal an Tempo zugelegt. Mietsteigerungen wurden in 9 von 23 Indexmärkten beobachtet. Darunter befinden München mit +7,9% gegenüber dem Vorquartal, Amsterdam (+5,0%), Utrecht (+3,5%), Lyon (+2,9%), Berlin (+2,4%), Paris (+2,2%) und Budapest (+2,0%). In den anderen Märkten gab es keine Veränderungen. Regional verzeichneten sowohl Westeuropa (minus 28% gegenüber dem Vorjahreszeitraum) als auch Mittel- und Osteuropa (minus 15%) eine gedämpfte Quartalsnachfrage.

In Paris, dem größten Büromarkt Europas, betrug der Flächenumsatz im zweiten Quartal 421.000 qm, wodurch sich das bisherige Jahresvolumen auf 816.200 qm summiert. Damit liegt das Vermietungsergebnis 19% unter dem Wert des Vorjahrs und 21% unter dem zehnjährigen Quartalsdurchschnitt, während die Zahl der Transaktionen nur um 8% gegenüber dem Vorjahr und um 2% gegenüber dem Zehnjahresschnitt zurückging. „Diese Zahlen bestätigen, dass hybrides Arbeiten zu einem etablierten Bestandteil der Immobilienlandschaft wird und dass große Unternehmen dazu tendieren, ihre Flächen zu reduzieren. Das Segment kleiner Flächen (unter 1.000 qm) erwies sich als am widerstandsfähigsten und ging leicht um 6% zurück, kehrte jedoch zum langfristigen Durchschnitt von 1.319 Transaktionen zurück“, analysiert Hela Hinrichs. Das Segment großer Flächen war mit einem Rückgang der Transaktionen um 30% auf 21 Abschlüsse am stärksten betroffen. Auch in Central London blieb die Vermietungsaktivität gedämpft. Der Flächenumsatz belief sich im zweiten Quartal auf 189.000 qm. Dies war 22% niedriger als im entsprechenden Vorjahreszeitraum und 20% unter dem Zehnjahresschnitt des zweiten Quartals. Der bisherige Jahresumsatz belief sich auf insgesamt 382.000 qm und lag damit 18% unter dem Vorjahreszeitraum und 15% unter dem langfristigen Durchschnitt des ersten Halbjahres. Die deutsch Vermietungsaktivität hat, wie schon berichtet, mit -35% bzw. knapp 500 000 qm in den Top 5 Städten deutlich nachgelassen.

Der Büroleerstand in Europa erreichte in Q2 2023 ca. 7,6%. Starke Anstiege beim Leerstand wurden in Den Haag, Utrecht und Rotterdam verzeichnet. Knapper wurde es in Mailand, Luxemburg, Amsterdam und Budapest. Nach JLL-Daten beliefen sich die Fertigstellungen in Q2 2023 auf insgesamt 1,1 Mio. qm. London (210.000 qm), Berlin (165.000 qm) und München (162.000 qm) machten dabei die Hälfte der in Q2 fertiggestellten Bürofläche aus. Hinrichs geht davon aus, dass Verschiebungen oder Einstellungen von Projekten und der Verzicht auf spekulativen Neubau die Knappheit im hochwertigen Segment verstärken wird. „Der Immobilienbrief“ ist aus o.g. Gründen eher skeptisch. ■