Interview – mit Stefan Heidtmann, Geschäftsführer der SG Bau- und Immobilienvertriebs GmbH

Im Gespräch mit …

Stefan Heidtmann, Geschäftsführer von SG Bau- und Immobilienvertriebs GmbH in Buxtehude. 1995 gegründet, entwickelt, baut und verwaltet das mittelständische Unternehmen Wohnhäuser in Hamburg, Niedersachsen und demnächst auch in Schleswig-Holstein. Über die Zukunft des sozialen Wohnungsbaus, zu hohe Energie-Standards und absurden Lärmschutz.

„Die EnEV ist eindeutig eine Mogelpackung“

Herr Heidtmann, macht bauen in Hamburg noch Spaß?

Heidtmann: In Hamburg passt häufig die Forderung der Stadt, möglichst schnell neuen Wohnraum zu schaffen, nicht mit den vielen bürokratischen Hürden zusammen, die Projektentwickler und Bauherren zu überwinden haben. Dazu kommen zahlreiche gesetzliche Auflagen wie etwa die nochmals verschärfte Energieeinsparverordnung EnEV 2016. In Hamburg beschäftigt uns in diesem Zusammenhang zurzeit vor allem das Thema Lärmschutz, das immer schwieriger zu handhaben ist. Wohnraum an viel befahrenen Straßen zu bauen, ist inzwischen nur noch mit erheblichem Aufwand zu realisieren. Um den strengen Auflagen beim Lärmschutz gerecht zu werden, müsste man beispielsweise bei Häusern an vielbefahrenen Straßen Wintergärten und teilweise sehr aufwendige Fensterkonstruktionen  an die Fassaden anbauen, weil man die geforderten Lärmschutzwerte nicht mehr durch Mehrfachverglasung der Fenster hinbekommt. Da wird an allen Ecken und Enden an Verschärfungen geschraubt, denen die Wohnungswirtschaft gerecht werden soll. Dadurch wird alles immer kleinteiliger und überladener und treibt zudem die Baukosten weiter in die Höhe.

Wird es trotz Förderung immer unlukrativer in Hamburg zu bauen?

Ja. Hamburg will ökologisches Vorbild sein, eine grüne Stadt. Deshalb wird über die Förderung Einfluss auf die Energiestandards genommen. In anderen Bundesländern gibt es andere Ansätze. Aber Hamburg zahlt Fördermittel und will dafür bessere Standards haben. Öffentlich geförderter Wohnungsbau ist in der Hansestadt in Bezug auf Wärmedämmung und energetischen Standard höherwertiger als frei finanzierter Wohnungsbau.

Wie erreicht man den geforderten Energiestandard?

Jedenfalls nicht mehr durch bessere Dämmung, sondern mit Hilfe von aufwändigerer Technik etwa bei Heizungs- und Lüftungsanlagen. Und das sind wiederum zusätzliche Kostentreiber. Das stellen wir selbst fest, weil wir auch Immobilien im Bestand halten. Mieter, die in einem Niedrigenergiehaus wohnen, zahlen zwar tatsächlich weniger Heizkosten, dafür aber erwarten sie aber deutlich höhere Kosten etwa durch regelmäßige Wartung und Reinigung der Lüftungsanlagen. Das große „Aha-Erlebnis“ kommt dann mit der ersten Nebenkostenabrechnung. Das ist für viele Mieter ein böses Erwachen.

Ist die EnEV eine Mogelpackung?

Die EnEV ist eindeutig eine Mogelpackung. Es werden immer bessere Standards gefordert, die man aber nur noch mit immer aufwändigerer Anlagentechnik erreicht. Man kann ja nicht unbegrenzt dämmen. Außerdem ist es relativ unerheblich, ob ich 25 oder 30 Zentimeter Dämmung aufbringe – an Kostenersparnis im Energieverbrauch sind das nur Cent-Beträge. Aus unserer Sicht reichen die Techniken und Standards, die wir bereits haben, vollkommen aus, um Gebäude kostengünstig zu beheizen. Da bedarf es keiner weiteren Verschärfungen. Der größte Teil der aufgewendeten Energie fließt ohnehin inzwischen in die Trinkwassererwärmung. Hier gibt es ja bereits eine große Anzahl bewährter Techniken, den Energieaufwand zu reduzieren.

Erreichen Sie von Seiten der Politik jemanden mit Ihrer Argumentation?

Das ist die Aufgabe unseres Dachverbandes

Aber es ärgert sie. Und Sie müssen damit leben, wenn Sie in Hamburg bauen wollen. Wie kriegen Sie denn den Spagat zwischen günstigem Wohnraum und hohen Baukosten hin?

Das geht ganz klar zu Lasten des frei finanzierten Wohnungsbaus. Wenn ein Drittel geförderter Wohnungen innerhalb eines Projektes gefordert sind, werden die Mehrkosten durch die energetischen Auflagen durch die zwei Drittel frei finanzierter Wohnungsbau subventioniert. Es gibt aber noch einen weiteren Kostentreiber, der in Hamburg systematisch zum Einsatz kommt: Architekten- oder Fassadenwettbewerbe. Bei jedem größeren Bauvorhaben wird dieses Procedere eingeleitet. Das kostet nicht nur viel Geld, sondern auch Zeit.

Werden Sie unter diesen Umständen weiter in Hamburg bauen?

Zurzeit orientieren wir uns in Richtung Schleswig-Holstein und Niedersachsen, wo die energetischen Anforderungen niedriger sind. Um eine auskömmliche Rendite mit Neubauten erwirtschaften zu können, kann ich dort noch im Standard des KfW-Effizienzhaus-70 bauen, in Hamburg müsste es schon 40-er Standard sein. Rein wirtschaftlich betrachtet, ist es daher besser in Schleswig-Holstein als in Hamburg zu bauen. Allerdings muss man in diesem Zusammenhang erwähnen, dass es in Hamburg nur eine Sozialbindung von 15 Jahren gibt. In Schleswig-Holstein sind es 30 Jahre. Für einen Investor ist die kürzere Bindung an eine vorgegebene Miete natürlich attraktiver.

Ein Pluspunkt für Hamburg. Reicht aber vermutlich nicht, um neue Investoren anzulocken …

Wenn man künftig mehr öffentlich geförderten Wohnraum schaffen will, der preiswert zu vermieten ist und auch preiswert gebaut werden soll, muss man die Rahmenbedingungen dafür auch anpassen und vielleicht die ein oder andere Regelung lockern. Etwa die aktuelle Lärmvorschrift oder die energetischen Auflagen. Sonst passen die Mieteinnahmen nicht mehr zu dem Aufwand, den man betreibt, und dann wird künftig niemand mehr geförderte Wohnungen bauen wollen. Da muss man jetzt gegensteuern.