Immobilieninvestments mit Maß und Ziel

 

Michael Ruhl, Vorstand DFH Deutsche Fonds Holding AG, Stuttgart

Seit dem 15. September 2008 haben sich die Rahmenbedingungen für Investitionsentscheidungen von Grund auf geändert. Statt auf ausgefeilte Finanztricks und komplizierte Strukturen achten Anleger nach dem Zusammenbruch von Lehman auf Sicherheit und Verlässlichkeit und verzichten dafür gerne auf zweistellige Renditeversprechen. Vor exotischen Standorten und Projektentwicklungen schrecken sie zurück – gefragt sind Core-Immobilien möglichst in Europa, die langfristig solvente Mieter vertraglich angebunden haben.

Die Kriterien, nach denen heute die Attraktivität einer Immobilie beurteilt wird, haben sich dabei im Kern nicht geändert. Nach wie vor ist die Qualität des Objektstandorts das entscheidende Merkmal. Erheblich positiver wird seit einigen Monaten im europäischen Kontext der deutsche Immobilienmarkt gesehen. Galt er vor zwei Jahren noch als langweilig und deutlich weniger dynamisch als etwa Madrid oder London, wissen Investoren heute seine Stabilität, die ihn vor hysterischen Übertreibungen ebenso wie vor dramatischen Abstürzen bewahrt, zu schätzen. Ein weiterer Vorteil des einheimischen Immobilienmarktes ist seine dezentrale Struktur. Während sich beispielsweise in Frankreich und England aufgrund des traditionellen Zentralismus’ alles auf die Hauptstädte konzentriert, verfügt Deutschland über eine ganze Reihe attraktiver Städte mit jeweils individuellen Marktparametern. Deshalb ist eine regionale Vernetzung mit profunder Kenntnis des jeweiligen Marktes unabdingbare Voraussetzung für erfolgreiche Immobilieninvestments.

Wichtig ist die Frage nach dem Wachstumspotential des jeweiligen Marktes, nach seiner Attraktivität nicht nur für Investoren, sondern auch für Unternehmer und Wohnbevölkerung. Spitzenränge nehmen nach wie vor die Medienmetropolen Hamburg und München ein. Sie haben den Übergang vom Industrie- zum Dienstleistungsstandort geschafft und weisen eine bunte Mischung hinsichtlich Sektoren und Unternehmensgrößen auf, die sie für Neuansiedlungen attraktiv macht. Hoher Freizeitwert und ein umfangreiches Kultur- und Bildungsangebot runden das Profil als Deutschlands A-Standorte ab.

Doch nicht nur Deutschlands Millionenstädte kommen als Immobilienstandort in die engere Wahl. Überlegenswert sind auch Investitionen in Groß- und Mittelstädten, wenn sie über Potential für langfristigen Bevölkerungszuwachs verfügen. Interessante Perspektiven bieten beispielsweise Universitätsstädte mit ihrer Sogwirkung auf Dienstleistung und Gewerbe im Umfeld der Forschungseinrichtungen. Generell gilt: Mit der Auswahl der jeweiligen Stadt ist die Arbeit nicht getan, die detaillierte Berücksichtigung der Mikrobedingungen gehört heute unabdingbar zur vernünftigen Standortwahl. Insbesondere bei Büroimmobilien, dem traditionell beliebtesten Segment der geschlossenen Fonds, sind die richtige Lage und eine hohe Bauqualität das entscheidende Beurteilungskriterium. Denn Büromieter sind ein flüchtiges Völkchen: Gewechselt wird leicht, Büroraum ist austauschbar, arbeiten kann man auch in preisgünstigeren Objekten an der Peripherie.

Investoren müssen sich deshalb schon vor dem Einkauf für eine Strategie entscheiden. „Austauschbarer“ Büroraum lässt sich häufig über einen günstigen Preis verkaufen. Dies geht aber regelmäßig nur an Standorten mit hoher Flächenabsorption. Die strategische Alternative ist hochwertigster Büroraum in zentralen Spitzenlagen, die eine nachhaltige Vermietung erlauben. Da diese Objekte nicht beliebig vermehrbar sind, ziehen sie eine deutlich intensivere Nachfrage nach sich. Als Mieter kommen unter anderem Unternehmenszentralen in Frage, die repräsentative Immobilien benötigen. Bei dieser Klientel ist das Wechselrisiko deutlich niedriger, da sie häufig Wert auf hochwertige Spezialeinbauten legen, die bei geeigneter Gestaltung des Mietvertrages die Bindung an das Objekt erhöhen. Das Risiko der Anschlussvermietung nach Auszug des Erstmieters ist kalkulierbar: Qualitativ hochwertige Immobilien in Spitzenlagen sind immer gefragt. Ein typisches Beispiel ist eine Stadt wie Stuttgart mit ihrer Kessellage. Hier ist die Möglichkeit zum Flächenneubau geographisch begrenzt, der Leerstand liegt deshalb weit unter Bundesdurchschnitt. Als Landeshauptstadt und Universitätssitz weist Stuttgart weitere wesentliche Standortvorteile auf. Zwar schlagen diese absoluten Spitzenlagen regelmäßig mit höheren Einkaufsfaktoren und damit etwas niedrigeren, laufenden Ausschüttungen zu Buche. Im Gegenzug erhöht sich für den Fondszeichner damit aber auch die Aussicht deutlich, am Ende des Mietvertrages eine zügige Anschlussvermietung zu auskömmlichen Konditionen zu erhalten. Demgegenüber sind dezentralere Objektlagen meist zu günstigeren Einkaufsfaktoren verfügbar, die sich bei maßvoller Fondskonzeption in etwas höheren, laufenden Ausschüttungen niederschlagen können. Diesen Vorteil erkauft der Anleger jedoch mit häufig geringeren Wertentwicklungspotenzialen für das Objekt und vor allem einem höheren Anschlussvermietungsrisiko.

Erfolgreiche Immobilieninvestments benötigen gestern wie heute vor allem eines: Eine genaue Marktkenntnis und einen langen Atem. Kurzfristige Schnäppchenorientierung führt leicht in die Irre.