Ist das Thema Effizienz die Zukunft der Immobilienwirtschaft?

 

 

Ein Markt-Round-Table von Edmund Pelikan

 

Allen ist aus der Wirtschaftsgeschichte die Industrialisierung vor Augen, die durch Effizienzsteigerung und Innovationen die Produktionsfaktoren optimiert und Preise senken konnte. Dies ging einher mit oft besseren Arbeitsbedingungen und der Klärung der sozialen Frage. Auch die heutigen Rentensysteme wären längst zusammengebrochen, wenn nicht durch mehr Effizienz die Arbeitnehmer immer mehr verdienen und damit immer weniger Beitragszahler immer mehr Rentner (noch) finanzieren können.

 

Aber prägt Effizienz tatsächlich auch die Zukunft in der Immobilienwirtschaft? Dort sehen die Tendenzen in der Regel anders aus. Immer mehr Menschen wohnen auf immer mehr Wohnfläche, Luxuswohnen ist angesagt. Aber wer kann sich das bei den immer weiter steigenden Preisen noch leisten?

 

Wir haben praxisnahe und wissenschaftliche Experten zu den Themen Immobilienpreise, Zukunftsmärkte in Deutschland und natürlich Effizienz befragt: Dr. Thomas Beyerle, Managing Director Catella Property Valuation GmbH, Prof. Dr. Hanspeter Gondring, Studiendekan Studienzentrum Finanzwirtschaft der Duale Hochschule Baden-Württemberg Stuttgart, Werner Rohmert, Vorstandsvorsitzender  der Arbeitsgemeinschaft Immobilienjournalisten immpresseclub e.V., Prof. Dr. Steffen Sebastian, IREBS Institut für Immobilienwirtschaft an der Universität Regensburg, Cornelia Sorge, Vorstand Projektentwicklung der PROJECT Immobilien Gewerbe AG

 

Hier die Einschätzungen:

Fangen wir mit dem Thema Immobilienpreise, Metropolregionen und Blasenbildung an.

 

Die Wissenschaft, vertreten durch Prof. Gondring und Prof. Sebastian, sieht derzeit keine Blasenbildung. Wobei Prof. Gondring den Umsätzen nach in den drei wichtigen Segmenten Büro, Handel, Wohnen eine stabile Marktlage sieht. Lediglich in Citylagen einiger deutscher Städte stellt er eine Überhitzung fest, die entsprechend einer Studie von empirica in sogenannten Schwarmstädten aufgrund ihrer hohen Attraktivität und hohen positiven Wanderungssalden faktenbasierte Gründe hat. Nach Prof. Sebastian wird in München seit 30 Jahren von einer Immobilienblase geredet und bisher ist sie noch nicht geplatzt – das zeigt die Irrationalität auf diesem Gebiet.

 

Auch der Analyst Dr. Beyerle sieht aktuell keine Blase. Sicherlich stellt sich gerade im Wohnsegment ein „Wundern über die enormen Miet- bzw. Preissteigerungen“ ein, so Beyerle bei seinem Statement. Gleichwohl sollten man hier die Aspekte „Nachholeffekte“ und „Zinsumfeld – mangelnde Alternativanlage“ berücksichtigen. Man sollte aber die Frage stellen, ob die aktuellen Vervielfältiger im Einzelhandelssegment strukturell gerechtfertigt sind – hier sieht Beyerle das Ende der Fahnenstange definitiv erreicht. Der innerstädtische Handel wird eine schwere Transformationsphase durchmachen – auch und gerade die sogenannten High-Street Lagen.

 

Werner Rohmert, Immobilienorakel aus Rheda-Wiedenbrück, pointiert bei seiner Bewertung: Bei den Mieten sind nahezu alle Marktsegmente bei Gewerbe und Wohnen in Deutschland noch im internationalen Vergleich preiswert. Bei den Kaufpreisen, deren Entwicklung sich vielfach von der Mietentwicklung gelöst hat, gibt es dagegen in einigen Bereichen Blasentendenzen. Dies betrifft vor allem sogenannte Core–Objekte.

 

Bei den Zukunftsaussichten der deutschen Metropolregionen ist die Meinung weitgehend übereinstimmend. Rohmert sieht bei einer gewissen Vorsicht in die Zukunft als Dauerbrenner vor allem München und den Gewerbebereich Frankfurt, der mit großer Wahrscheinlichkeit vom Brexit profitieren wird. Und Dr. Beyerle bringt es mit seiner Aufzählung auf den Punkt: München, Frankfurt, Hamburg – und weiterhin unangefochten Berlin.

 

Bei dem Thema (der) Effizienz gibt es wesentliche Übereinstimmungen, aber in konkreten Punkten geben im Wesentlichen auch die Wissenschaftler Bedenken preis.

 

Ausgangspunkt der Diskussion Flächeneffizienz war ein neues Qualitätssiegel der Stiftung Finanzbildung, die eine effizienten Flächenplanung bei Büros in Übereinstimmung mit der Arbeitsstättenrichtlinienverordnung dokumentiert. Als Erstes wurde ein Büroprojekt in Berlin – Adlershof der PROJECT Immobilien Gewerbe AG zertifiziert. Cornelia Sorge, die im Vorstand der AG für die Projektentwicklung zuständige Ansprechpartnerin, beschreibt den Ansatz so: Bei der Flächeneffizienz geht es darum, mit dem Raum ökonomisch umzugehen und Flächen dort zu sparen, wo sie dem Mieter keinen Nutzen bringen, wie beispielsweise in einer ungeschickten organisierten Erschließung. Sorge betont, dass dabei die arbeitsfreundliche Gestaltung und ein funktionales Layout der Mietflächen sowie Belichtung, Raumhöhe und technische Ausstattung der Räume trotz Effizienz hohe Bedeutung genießen.

 

Prof. Gondring warnt im Rahmen der Effizienzdiskussion vor einer Bürokratisierung, und Prof. Sebastian betont, die Grenze bei der raumbezogenen Effizienzsteigerung ist also die Beeinträchtigung der Arbeitsqualität und damit die Produktivität der Mitarbeiter. Wichtig ist ein gesundes Verhältnis zwischen Effizienz und Arbeitsklima.

 

Der Marktanalyst Beyerle sieht eine zunehmend wichtigere und höhere Bedeutung für die Zukunft der Immobilien bei dem Effizienzthema. Obwohl die Branche größtenteils auf einer Euro-pro-Quadratmeter-Basis kauft und mietet, sind die eigentlichen Nutzungskosten beziehungsweise Effizienzkosten anders, so Beyerle.

 

Als Langzeitbeobachter fasst das Thema Effizienz Werner Rohmert wunderbar zusammen: Das ist eine Grundfrage, die ihn bereits sein ganzes immobilienwirtschaftliches Leben begleitet hat. Auch hier wechselt die Antwort zyklisch. In den neunziger Jahren hatte Flächenoptimierung einen hohen Stellenwert. Dann geschah lange Jahre gar nichts. Inzwischen gewinnen alternative Arbeitsplatzmodelle wieder an Bedeutung.

 

Das finale Thema über die Zukunft der Immobilien und den Einfluss von steigenden Zinsen auf die Immobilienpreise ist natürlich nahe an der Kaffeesatzleserei, aber wenn man schon Fachleute dieses Kalibers befragt, will man natürlich darauf nicht verzichten. Hier die Meinung im Einzelnen:

 

Dr. Thomas Beyerle: Bis 2019 sehe ich keine grundsätzliche Änderung der Zinslandschaft – danach wissen wir nicht, ob es eine Rakete gibt oder eine Schritt-für-Schritt (0,25)-Politik. Klar ist, dass dann Anleihen etc. attraktiver werden. Allerdings wird es eine Vorzieheffektphase geben, so dass die Umsätze nochmals deutlich zulegen werden. Danach kommt dann der harte Schnitt.

 

Professor Dr. Hanspeter Gondring: Ich sehe auf absehbare Zeit (in einem Zeitraum von 5 Jahren) keine steigenden Zinsen in Europa. Sollten die Zinsen irgendwann steigen, dann hätte das den Effekt, dass kreditfinanzierte Investitionen unter Berücksichtigung des Timelags zurückgehen. Aber dieser Effekt wird auch ohne Zinssteigerung in den nächsten zwei Jahren eintreten.

 

Professor Dr. Steffen Sebastian: Die Immobilienmärkte werden von der Niedrigzinspolitik getrieben. Die aktuelle EZB-Sitzung Anfang September 2017 brachte wieder eine Verlängerung dieser Politik. Mangels Alternative gehen die Gelder in die Immobilien. Ich sehe demnach, dass das Preisniveau derzeit stabil bleibt, da die Zinsen niedrig bleiben. Vor einem Irrtum kann ich nur warnen: Immobilien als Inflationsschutz zu sehen.

Werner Rohmert: Die Antwort ist weniger eindeutig, als vordergründig anzunehmen ist. Für Finanzinvestoren sind Zinsen naturgemäß wichtige Kostenfaktoren und Renditehebel. Im Bereich institutioneller Kapitalanlageimmobilien werden steigende Zinsen sinkende Preise zur Folge haben. Andererseits waren in der Vergangenheit bis zur Draghi – Herrschaft in der EZB Zinsen immer Anzeichen von Prosperität und Arbeitsplatzsicherheit. Dies führte oft dazu, dass gerade in Phasen hoher Zinsen auch hohe Preise bezahlt wurden. In den neunziger Jahren galt dies im Übrigen auch für Gewerbeimmobilien, da dort der Anlagedruck sehr hoch war.

 

Fazit: Es wird weiter spannend bleiben, wie sich die Märkte entwickeln, doch die Experten sehen derzeit keine ausgeprägte Warnlage. Richtig ist aber auch, dass Immobilien noch nie ein risikoloses Investment waren. Wer dies glaubt hat schon verloren. Wer aber lange genug dabei ist, weiß, welche Bedeutung Themenkomplexe wie Streuung, Effizienz und bewusste Einkaufspolitik haben und in Zukunft haben werden.