Einige der heutigen Überschriften könnte man unter „Schlechte Zeiten für …“ subsummieren (vgl. Editorial). Dabei hatte gerade zum Wochenanfang King Sturge (KS) in seinem seit 2008 erfassten Immobilienkonjunktur-Index ein neues „Allzeithoch“ entdeckt. Allerdings lässt das breite Zahlenwerk der Immobilienwirtschaft gegenüber dem Stimmungsindex noch ein wenig zu wünschen übrig. Lediglich in manchen europäischen Core-Märkten baut sich eine Blase auf. Das ist gut für JLL, King Sturge, DTZ, BNPPRE und Co. Aber in manchen deutschen Städten werfen Immobilienmakler das Handtuch, weil es kein Zinshausmaterial mehr gibt. Im Bereich von Problemimmobilien gibt es keine Käufer. Ausschlaggebend für die gute Stimmung sind lt. KS die Erwartungen hinsichtlich der Miet- und Ertragsentwicklung. Die Kauf- und Investmentstimmung erreicht sogar einen neuen Höchststand seit dem Beginn der Erhebung im Januar 2008 – eine bemerkenswerte Aussage, denn nach unserer Erinnerung ging es ab Herbst 2007 bergab und wir beteten alle, dass die Partystimmung noch ein wenig anhalten möge. KS-Deutschland-Chef Sascha Hettrich sieht aber dennoch keineswegs einen Boom der Immobilienwirtschaft. Zwar verlaufe die Konjunkturentwicklung in Deutschland derzeit überraschend dynamisch, aber gleichzeitig wachse momentan die Sorge vor einer sich abkühlenden Konjunktur in den USA, China und den europäischen Schuldenstaaten.
Aus Sicht von „Der Immobilienbrief“ entwickelt sich der Auslauf der Finanzmarktkrise nach konjunkturellem Fahrplan. Die Krise hinterlässt natürlich Folgen in der Immobilienwirtschaft, wenn auch bei weitem nicht so schlimm wie nach früheren Krisen. Aber auch das ist logisch.
Zunächst einmal wurde der Krisendruck genutzt, Kapazitätsaufbau und Strategien der Boomjahre mit Entschuldigung zu korrigieren. Das ist eine normale Konsolidierungsentwicklung. Dabei wurden gleichzeitig personell sinnvolle Maßnahmen eingeflochten, die in anderen Zeiten schwierig gewesen wären. Spektakuläre Pleiten gab es bislang nicht. Skandale blieben aus. Auch bei Immobilienaktien gab es die erwarteten Pleiten wie in früheren Zyklen bislang nicht. Gut gefüllte Kassen halfen über die schwierige Zeit. Wohnungsinvestments sind weniger konjunkturanfällig als Gewerbeinvestments.
Für die Immobilienwirtschaft spielen sich zwei Faktoren aus. Von einer kurzen Schockstarre abgesehen blieb die Krise nichts anderes als der Wegfall des vorherigen irrationalen Booms. Anders als bei Schiffen war der Boom bei Immobilien bestandsorientiert. Erst bei längerem Verlauf hätte es überproportionale Bestandserweiterungen gegeben wie im Internet-Boom, die dann den Markt längerfristig beeinflusst hätten. Diesmal kam es sogar zum Gegenteil. Neu gewonnenes Sicherheitsbedürfnis führte auf realistischer Preisebene quasi sofort zu Knappheit bei gut vermieteten Gewerbeimmobilien und Zinshäusern. Hier sind europaweit schon wieder Blasen erkennbar. Jetzt sieht sich die Branche wieder auf dem Weg in einen Boom. Die Stimmung ist gut.
Allerdings sieht der „Der Immobilienbrief“-Fahrplan durchaus eine Spaltung der Branche. Auf der Investitionsseite führen nach wie vor niedrige Zinsen mit Leveragepotential in Verbindung mit Anlagedruck auch bei hohen Immobilienpreisen zu Boom- und Fehlallokationsgefahren. Davon wird die Immobilienwirtschaft zunächst profitieren.
Allerdings ist das Eigenkapital der Banken knapp und viele Unternehmensratings werden schlecht. Das führt ab jetzt zur Auslese. Prolongationen werden nun erst zur Herausforderung. Gerade bei gut gesicherten Krediten wird es für den Kreditnehmer eng. Das zeigen die NPL Aktivitäten in USA. Zugleich ist der Bedarf nach neuen Flächen durch hohe Leerstände eingeschränkt. Gefragt sind Top-Neubauflächen, aber die kann man nicht alle 10 Jahre abreißen und neu bauen. Anforderungen an Eigenkapital und Vorvermietungsstände sind wieder traditionell. Das wird unangepasste Kinder des Booms aus dem Markt schießen.
Der Ausleseprozess wird noch nicht einmal die Schlechtesten treffen. Und alte eigene Erfahrungen aus der Bearbeitung notleidender Engagements zeigen auf, dass verzweifelte Rettungsversuche speziell mittelständischer Unternehmer aus juristischer ex post Sicht in ein anderes Blickfeld gerückt werden. Außerdem dauert der Sterbeprozess einer guten Immobilienfirma mit Bestand trotz Ausschluss aus dem Neugeschäft oft viele Jahre.