MIPIM 2024: „Man sollte dabeigewesen sein!“

Weniger Teilnehmer, aber mehr „Seniors“ als „Young Professionals“

Aus Stichworten von Prof. Dr. Thomas Beyerle, Group Head Catella Research und Aufsichtsrat Research Medien AG, zusammengefasst von Werner Rohmert

Rückblickend war das Zweifeln „ob ich hingehe“ falsch, fasst Prof. Dr. Thomas Beyerle, Group Head Catella Research und Aufsichtsrat unseres Verlages zusammen. Drei Tage dabeigewesen zu sein, war 100% richtig. Was auffiel, und teilweise auch ärgerte, hat Beyerle als persönlichen Eindruck in Stichworten zusammengefasst. Die weiteren Statements der Teilnehmer rufen wir in den kommenden Tagen noch ab. Im Editorial hat Ihnen Werner Rohmert aus der Erfahrung von mehr als 20 MIPIMs und über 30 Branchenkenntnis „versprochen“, wie die Statements aussehen werden.  (WR+)

Die Community, vor allem die großen deutschen (und internationalen) Namen, waren alle da und traten sichtbar auf – aber mit „gefühlt“ nur der Hälfte der Teilnehmer der vergangenen Jahre, so Prof. Dr. Thomas Beyerle. Zumindest sei es als Spar-Indikator völlig unproblematisch gewesen, am Sonntag vor der Messe noch ein „bezahlbares“ Zimmer bzw. Appartement zu bekommen.  Allerdings lagen zum Redaktionsschluss die endgültigen Zahlen noch nicht vor. Beyerle rechnet aber damit, dass die MIPIM Organisatoren wieder einen neuen Rekord melden werden. Woher der kommen soll, erschließe sich ihm nicht.

Es werde sichtbar gespart bzw. effizienter mit den Budgets umgegangen. Die MIPIM 2024 sei alles in allem eine „Arbeitsmesse in der Sonne“ für diejenigen gewesen, die in der Krise nach Lösungen suchen und sich dann auch auf etwaige unangenehme Wahrheiten einlassen wollen. „Gefühlt“ habe das Durchschnittsalter diesmal höher gelegen. Es seien mehr Seniors als Young Professionals bei reduzierter Teilnehmerzahl insgesamt dagewesen. Ob die dominierende Haarfarbe „grau“, die Beyerle feststellte, allein auf das Durchschnittsalter zurückzuführen ist, bleibt für den Autor offen. , in dessen fast zwei altes Mathematik-Drehbuch sich das aktuelle Immobiliengeschehen abspielt, eher offen.

ESG macht mehr Sorgen als Homeoffice. Die Gespräche, die Beyerle führte, waren – nachdem die erste Phase des „uns geht es gut“ überwunden wurde – dann doch von einer starken Nüchternheit geprägt. Schwelende Abwertungen bei Büroimmobilien (… die aus „Der Immobilienbrief“-Sicht überhaupt jetzt erst anfangen, denn die Zeitzünder ticken erst noch (vgl. S. XX)) drücken auf die Stimmung der traditionell mehr gewerblich ausgerichteten Messeteilnehmer. Überraschend dabei sei, dass die Abwertungssorgen eher aus Energiebelangen und peripherer Lage resultierten und weniger aus dem Homeoffice Effekt. Im Handel werde als einziges Handelssegment „Grocery“ (Lebensmitteleinzelhandel) wieder am Markt angeboten. Das habe sich als systemrelevant und weder „ordentlich eingepreist“ dargestellt. Das hört sich in makler Marktberichten derzeit auch etwas anders an. Mixed-use Nutzungen bzw. Developments scheinen für Beyerle die DNA  der europäischen Entwickler in den kommenden Jahre zu sein.

„Shrink to fit“ war das offensichtliche Aussteller- und Teilnehmer-Motto. Es fehlte eine komplette Reihe an „Immobilienbooten“ im Hafen. Das gab es noch nie. Sonntags gab es noch Timmer. Motivations-Teilnahme im „war for talents“ gab es auch nur wenig. Zumindest bei den Schiffen lässt sich das auf die Vermeidung eines Heraufbeschwörens einer „negativen Bildersprache“ zurückführen. (Auch die Immobilienwirtschaft lernt. „Der Immobilienbrief“ hatte schon vor Jahren die Bildersprache der dicken Yacht-Hinterteile, die sich dem Mipim-Besucher entgegenstrecken, moniert. Bei Fondsmessen ist seit Jahrzehnten bekannt, dass derjenige, der am großzügigsten mit Champagner um sich wirft, der nächste Insolvenzfall ist. Und wenn sich „Der Immobilienbrief“ die Liste der Yachten der letzten Nullzins-Wellenreiter anschaut, dürften da einige zu Hauptquartieren von Insolvenzen in Eigenverwaltung mutieren.)

Umwidmungsträume gibt es nur in Deutschland. Alte Büros in Wohnen umzuwidmen, scheint eher ein deutsches Thema zu sein, erfährt Beyerle. Die meisten Gesprächspartner sehen das mit Blick auf Kosten und Folgenutzung („Wird nur Luxuswohnen rauskommen“) eher als „akademisch-technische Diskussion“, denn als Beitrag zur Reduktion der Wohnungsknappheit. („Der Immobilienbrief“-Anmerkung: Der ZIA hat gerade sogar herausgefunden, dass auch eine mögliche Umnutzung von Kaufhäusern in Wohnungen nur marginale Effekte bringt. Glückwunsch! Umwandlung von Büros lohnt sich eigentlich nur, wenn zum einen der Eigentümer die „weiße Flagge“ sogar über eine Billigvermietung gehisst hat und über Verschenken nachdenkt, und zum anderen der Käufer durch die Bestandsnutzung so eine Genehmigung für Flächen erhält, die bei einem Wohnungsneubau nicht genehmigungsfähig wären.)

Der Zinsoptimismus nimmt ab. Eine Zinsanpassung wird von den meisten erst in Q3 2024 erwartet, wenngleich eher in einer homöopathischen Dosierung. Die werde aber einen wichtigen psychologischen Effekt für die Kapitalmärkte haben, so Beyerle.

Insolvenzen bzw. Restrukturierung waren ein Thema mit Blick weit ins Jahr 2025. Häufig wurde gehört, es werde wieder „normal“, was noch nicht funktionierte, sei das Preisschild der potenziellen Verkäufer, das Preise spiegele, die potentielle Käufer bereit seien zu zahlen. Hier sieht Beyerle auch aktuell keine wirkliche Bewegung. Die Transaktionsvolumina würden zum Jahresende sicher etwas ansteigen. Aber ein messbarer Aufschwung werde es nicht. („Der Immobilienbrief“ hatte hierzu schon ausgeführt, dass auch eine deutliche Belebung auf 2/3 Vorkrise zu 2/3 der Vorkrisenpreise zu 2/3 der wettbewerbsgedrückten Courtagesätze oder Margen ehr nicht zum Überleben geeignet ist. „Belebung“ rechnet „Leben“ nicht. (s. Editorial 570).)

Was Beyerle sonst noch auffiel und teilweise auch ärgerte:

  • Die Jagd beginnt. Private Equity Vertreter/innen waren „gefühlt“ überdurchschnittlich präsent. Jagd auf „Opportunitäten“ (Distressed) wäre her eine schöne Bezeichnung.
  • Keine deutsche Beteiligung in der MIPIM Jury: Das sei mit Blick auf die Größe des deutschen Immobilienmarktes und der hohen Mipim-Präsenz der deutschen Teilnehmer in den letzten 20 Jahren schwer nachvollziehbar
  • Sehr hoher Anteil an Poptechs/IT Dienstleister: Vielleicht, weil sie es können und vielleicht auch besser machen (wollen), hätten die neuen Marktteilnehmer mittels Massen von SMS-Terminanfragen noch auf der Messe ziemlich genervt! (Lieber Thomas, das ging Deinen Eltern sicher schon mit Deinen Musikvorlieben genauso. Auch Ovid hatte schon seine Probleme. Was mich eher wundert, ist der Rückgriff der Proptechs auf geschichtsträchtige SMS. Wenn denen nichts Neues einfällt, sieht es mit der „Digitalisierungs-Revolution“ in der Immobilienwirtschaft düster aus. Dein Werner)

Im Fazit möchte Beyerle die Mipim 2024 allerdings nicht missen.